Konstantin Gil

 

Über viele Jahre war Konstantin Gil für jeden Taekwondosportler so etwas wie eine wandelnde Institution. Nahezu jeder Anfänger kaufte sich mindestens eins der insgesamt sieben Bücher, die der mittlerweile fast 60 Jahre alte Wahl-Münchner zum Thema Taekwondo geschrieben hat. Konstantin Gil war aber nicht nur Autor, sondern auch Pressereferent der DTU und Chefredakteur der Fachzeitschrift Taekwondo aktuell. In seinen Artikeln stellte er immer wieder sein Fachwissen unter Beweis. Er scheute  dabei auch nicht davor zurück, heiße und unangenehme Themen anzupacken.

Vor mehr als zehn Jahren zog sich Konstantin Gil aus der Taekwondoszene zurück. Bei einem Lehrgang, den der bayerische Verband in Regensburg ausrichtete, stand Konstantin Gil als Referent in der Sporthalle. Mit Peter Bolz unterhielt sich Konstantin Gil über die gute alte Zeit und über seine Pläne für die Zukunft.

Hallo Herr Gil, Sie waren unendlich lange wie vom Erdboden verschwunden. Weshalb hat man denn so lange nichts von Ihnen gehört?

Viele Jahre war ich als verantwortlicher Chefredakteur der Fachzeitschrift „Taekwondo aktuell“ beschäftigt. Nachdem Heinz Marx, der damalige Herausgeber, das Taekwondo aktuell dann 1993 verkauft hat, habe ich mich einfach zurückgezogen und nur noch für mich Taekwondo trainiert.

Hat Sie der Verkauf des Taekwondo aktuell geärgert?


Nein, dafür gab es auch keinen Grund. Heinz Marx war damals über 70 Jahre alt und wollte sich den Stress einfach nicht mehr antun. Park Soo-Nam hat die Fachzeitschrift gekauft und bringt seit dieser Zeit mit seinen Mitarbeitern jeden Monat eine neue Ausgabe heraus.

Haben Sie auch mit dem Taekwondo aufgehört?  

Nein, bis vor fünf Jahren habe ich jede Woche noch vier Stunden in der Taekwondoschule von Chang Jae-Hee in München trainiert. Nachdem ich dann aber massive Probleme mit dem Hüftgelenk bekam, musste ich das Training erst stark einschränken und dann völlig damit aufhören.

Kam der Verschleiß vom Taekwondotraining?


Das kann schon sein, denn in den 60-iger und 70-iger Jahren waren einige Übungen ziemlich ungesund. Damals habe ich intensiv auf Meisterschaften hintrainiert. Vermutlich war ich aber schon vorbelastet. Als Jugendlicher habe ich mir nämlich mein Taschengeld mit dem Austragen von Milchflaschen verdient. Damals gab es nur Glasflaschen, und die standen in ziemlich schweren Eisenkästen. Eine ziemlich anstrengende Angelegenheit.  

Wie erfolgreich waren Sie denn als Wettkämpfer?

Bei einer der ersten ausgetragenen Deutschen Meisterschaften vom Deutschen Verband für waffenlose Selbstverteidigung (DVWS) erreichte ich 1969 den 3. Platz und wurde 1970 Vizemeister. Nach der Gründung der Taekwondo-Sektion im DJB wurde ich 1972 Norddeutscher Vizemeister sowie mit meinem Verein ITC Wiesbaden Deutscher Vizemeister im Mannschaftswettbewerb und vierter im Einzelwettbewerb. Im Jahr darauf gewannen wir die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft. Nach einer Wettkampfpause nahm ich 1977 an der Internationalen Deutschen Meisterschaft teil und wurde glücklicher Dritter im Mittelgewicht.
Danach habe ich mich auf den Formenlauf konzentriert und errang zwei erste Plätze bei den Rheinland-Pfälzischen Formenmeisterschaften 1984 und 1985 in meiner Altersklasse. 1987 konnte ich die Internationale Deutsche Formenmeisterschaft gewinnen.

Sie waren ja auch noch der Pressereferent der DTU. Wie sind Sie denn zu diesem Amt gekommen?

Eines Tages hat mich der Heinz Marx gefragt, ob ich das Amt des Pressereferenten übernehmen könnte. Ich habe mir das einige Zeit überlegt und dann zugestimmt. Ich habe das Amt dann so gut ich konnte von 1983 bis Anfang 1989 ausgeübt. Mein Nachfolger war dann Joe Ragotzki.

Weshalb war Heinz Marx denn der Meinung, dass Sie für dieses Amt der geeignete Kandidat waren?   

Als der Heinz Marx auf mich zukam, waren bereits zwei Taekwondo-Bücher von mir auf dem Markt, die beide übrigens sehr gut verkauft wurden. Er hat also gewusst, dass mir das Schreiben relativ leicht fällt.

Wie viele Bücher haben Sie denn geschrieben?


Insgesamt waren es sieben Bücher. Das erste Buch von mir, das 1972 im Falken-Verlag veröffentlicht wurde, war das erste deutschsprachige Taekwondobuch überhaupt. Da das Buch recht gute Verkaufszahlen hatte und ich merkte, dass ein entsprechender Markt da war, habe ich 1978 ein Buch über die Poomse geschrieben. Für jede Form habe ich ein Diagramm erstellt und diese mit vielen Fotos illustriert. Ich war selbst überrascht, wie gut das Buch „Illustriertes Handbuch des Taekwondo“, das übrigens einen Hardcover-Einband hatte, bei den Leuten ankam. Für damalige Verhältnisse war das Buch ein Renner. Man darf nicht vergessen, dass der Taekwondosport zu dieser Zeit noch relativ wenige Mitglieder hatte.

Wie kamen Sie denn nach diesem Erfolg auf die Idee, noch ein Buch über Formen zu schreiben?

Mitte der 80-iger Jahre war ich als Referent bei einem Osterlehrgang, den Kim Chul-Hwan organisiert hatte. Während des Lehrgangs kamen wir ins Reden und haben darüber diskutiert, ob man nicht noch intensiver auf die Techniken in den Poomsae-Formen eingehen sollte. Wir haben dann beschlossen, dass wir so ein Buch gemeinsam machen.

Weshalb haben Sie dann gleich vier Bücher über die Poomsae auf den Markt gebracht?

Das hat sich erst bei der Erstellung des Buches als sinnvoll herausgestellt. In der Art und Weise, wie wir die Formen erklären wollten, konnten wir nicht alle in ein Buch packen. Das Buch wäre einfach zu unhandlich geworden. Außerdem wollte der Falken-Verlag damals kein so großes Buch herausbringen.

Sind die vier auch so ein Renner geworden?

Wir waren selbst überrascht, wie gut sich vor allem der Band 1 und der Band 2 verkauft haben. Mit so einem Erfolg haben wir nie gerechnet.

Wieso nur die beiden ersten Bände?   

Weil dort die Formen bis zum Blaugurt beziehungsweise zum 1. Dan beschrieben wurden. Die meisten Taekwondosportler hören aus den verschiedensten Gründen bis noch vor dem Schwarzgurt mit dem Taekwondo auf. Für die Bände 3 und 4 war einfach der Markt noch nicht ausreichend.

Von was handelte denn eigentlich das siebte Buch?


Dieses Buch habe ich 1987 veröffentlicht, da Taekwondo ein Jahr später zum ersten Mal bei den Olympischen Spielen dabei war, damals noch als so genannte Demonstrationssportart. Mit dem Buch wollte ich der breiten Öffentlichkeit den Taekwondosport vorstellen. Das Buch erweckte, im Gegensatz zu den Lehrbüchern, zu wenig Interesse und floppte.

Haben Sie mit Ihren Büchern eine Menge Geld verdient?  

Nein, das nicht. Ich kannte mich damals überhaupt nicht aus und habe einen Vertrag unterschrieben, der mir für jedes verkaufte Buch nur eine sehr bescheidene Beteiligung garantierte. Heute würden die Jahrestantiemen gerade Mal für einen schönen Karibikurlaub reichen.
Doch darauf kam es mir eigentlich auch gar nicht an. Viel interessanter war es für mich, endlich ein Buch über Taekwondo in deutscher Sprache zu veröffentlichen.


Sind Ihre Bücher eigentlich jetzt noch im Verkauf?

Nein, leider nicht mehr. Der Falken-Verlag wurde 1999 von der Verlagsgruppe Random House aufgekauft. Es wurden zwar noch alle Bücher, die noch im Handel waren, verkauft. Neue Auflagen wurden aber von Random House nie gedruckt.

Wenn die Bücher so erfolgreich waren, müsste ein Verlag doch daran interessiert sein, noch mehr Bücher zu verkaufen, oder?

Normalerweise ist das auch so. Am Anfang habe ich auch nicht verstanden, weshalb Random House anders reagiert. Man muss aber wissen, dass Random House zur Bertelsmann-Gruppe gehört und mittlerweile ein riesiger Zusammenschluss von unzähligen aufgekauften Verlagen ist. Als ich dort nachfragte, weshalb man die Bücher nicht mehr verlegt, hat man mir erklärt, dass es dort keinen Verlag gibt, in dessen Programm der Taekwondosport passt.

Was haben Sie denn jetzt für Möglichkeiten?

 
Prinzipiell sind mir natürlich die Hände gebunden. Mit dem Kauf des Falken-Verlag sind alle Rechte an Random House gegangen. Deshalb ist es auch die alleinige Entscheidung von Random House, wie sie diese Rechte nutzen. Der Verlag kann alles einstampfen oder die Rechte an einen anderen Verlag verkaufen.

Und in welche Richtung wird es gehen?


Das kann man jetzt noch nicht sagen. So viel ich gehört habe, soll mittlerweile ein Verlag aufgekauft worden sein, der Sportbücher verlegt hat. Vielleicht werden einige meiner Bücher demnächst über den Random-House-Verlag auf den Markt gebracht.

Und wenn dies nicht der Fall sein sollte?


Dann müsste ich einen Verlag finden, der sich die Rechte kaufen kann.

Könnten Sie sich die Rechte selbst auch aneignen?

Theoretisch wäre das machbar. Ich denke aber, dass mir dazu die finanziellen Mittel fehlen. Für mich bleibt momentan wohl nur die Rolle als Vermittler.

Herr Gil, vielen Dank für das Gespräch und viel Glück bei Ihren zukünftigen Verhandlungen.