Immer Ärger mit den Danprüfungen


Beim Taekwondosport gibt es Themenkomplexe, die sowohl national als auch international immer wieder zur Diskussion gestellt werden. Wenn ein entsprechender Bedarf erkannt wird, wird die Sportordnung auch schon mal im nationalen Alleingang geändert. Zu diesen Dauerthemen gehört beim Zweikampf zum Beispiel die Einteilung der Gewichtsklassen, die immer wieder mal angepasst wurden. Beim Poomsae wurde das Regelwerk immer wieder mal im Hinblick auf die Kategorien und der Einteilung der Altersklassen abgeändert. Für große Aufregungen sorgten diese Änderungen eigentlich nie. 

Nicht ganz so ruhig geht es zu, wenn über die Prüfungsordnung und die Danprüfungen diskutiert wird. Jeder, der schon mal bei einer Danprüfung dabei war, hat seine eigene Meinung. Für die meisten ist die ist die Danprüfung eine faire sportliche Anforderung, die mit entsprechender Vorbereitung durchaus zu schaffen ist. 

Dagegen lassen vor allem die Durchgefallenen und deren Trainer oftmals kein gutes Haar an den Prüfern und der Prüfungsordnung. Wenn es nach ihnen ginge, müsste eigentlich jeder seinen Dan verliehen bekommen, weil – na ja, irgendwie hätte ihn ja wohl jeder verdient. In Korea würde man nicht so streng prüfen wie in Deutschland. 

Um an den heiß begehrten Dangrad zu kommen, gehen etliche auf Nummer sicher und machen ihre Prüfung außerhalb des Verbandes. Meistens gehen sie zu koreanischen Schulbesitzern, die reguläre Danurkunden besitzen. 

Woher haben die koreanischen Schulbesitzer die Danurkunden und was sind diese wert? Wie soll man mit Mitgliedern umgehen, die ihre Danprüfungen außerhalb des Verbandes ablegen? Auf diese und andere Fragen antworten Reiner Hofer und Heinz Gruber.


Heinz Gruber, BTU-Prüfungsreferent und DTU-Präsident:


PB:
 In der Prüfungsordnung wird immer ein „Poom- oder Dangrad des Kukkiwon“ erwähnt. Weshalb wird denn der „WTF-Dangrad“ nie erwähnt? 

HG: Das liegt daran, weil die WTF, also die World Taekwondo Federation, mit den Dangraduierungen überhaupt nichts zu tun hat. Die Dangraduierungen werden weltweit ausschließlich vom Kukkiwon bestätigt und verwaltet. 

PB: Dann werden weltweit alle Danurkunden vom Kukkiwon bestätigt? 

HG: Im Prinzip ist das richtig. Es kommt aber darauf an, dass die Länder das auch wollen. Die Länder können – müssen aber nicht - die Danurkunden beim Kukkiwon eintragen lassen und sich vom Kukkiwon eine Urkunde ausstellen lassen. 
In der DTU haben wir festgelegt, dass beim Kukkiwon die ersten beiden Dangrade eintragen werden. Die Prüflinge bekommen also eine DTU-Urkunde und eine Urkunde vom Kukkiwon. Ab dem dritten Dan kann jeder Prüfling selbst entscheiden, ob er neben der DTU-Urkunde auch noch die 105,- Euro für die Kukkiwon-Urkunde möchte. 

PB: Wer oder was ist denn das Kukkiwon?

HG: Das Kukkiwon ist der Standort von der Word Taekwondo Academy und offizieller Teil des Sportministeriums von Südkorea. Neben der weltweiten Verwaltung der Danurkunden werden über das Kukkiwon auch Taekwondo-Lehrer ausgebildet.
Kukkiwon ist eine Firma, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt wird und demzufolge auch gewinnorientiert arbeitet. 

PB: Untersteht die Firma Kukkiwon dem Weltverband oder arbeitet sie Kukkiwon selbständig? 

HG: Die Firma Kukkiwon gab es bereits vor dem Weltverband. Zwischen dem Weltverband und Kukkiwon wurde vereinbart, dass vom Weltverband WTF bei Turnieren nur Dangrade des Kukkiwon anerkannt werden. Bei den großen Turnieren dürfen nur Teilnehmer an den Start gehen, die über die nationalen Verbände nominiert wurden. 

PB: Handelt es sich beim Geschäftsführer und bei den Gesellschaftern des Kukkiwon um Mitglieder aus verschiedenen Ländern?  

HG: Wie schon erwähnt, ist das Kukkiwon dem Sportministerium von Südkorea unterstellt. Wie die Stellen innerhalb des Kukkiwon besetzt werden, ist allgemein nicht bekannt. 

PB: Wie viele Danurkunden werden denn weltweit pro Jahr vom Kukkiwon verwaltet?

HG: Auch darüber ist nichts bekannt. Das unterliegt dem üblichen Geschäftsgeheimnis. 

PB: Wenn das Kukkiwon so eng mit der WTF zusammen arbeitet und die Danurkunden von allen Nationen verwaltet, sollte man doch meinen, dass von dort die Danurkunden nur an die Mitglieder der WTF verkauft werden. Warum verkauft man von dort die Danurkunden auch an Abnehmer, die nicht den anerkannten nationalen Verbänden angehören?

HG: Ganz einfach, das Kukkiwon ist ein Geschäftsunternehmen, das auf Gewinn orientiert arbeitet. 

PB: Weshalb gibt es denn nicht so etwas wie einen Gebietsschutz für die nationalen Verbände? 

HG: Der Verkauf der Danurkunden an Personen, die nicht dem WTF-Verbänden angehören, wird von sehr vielen Nationen schon seit längerer Zeit als ein Ärgernis angesehen. Wenn man den Äußerungen glauben darf, dann wird beim Kukkiwon die Idee eines Gebietsschutzes nicht mehr so rigoros abgelehnt wie in der Vergangenheit. Es wurden auch schon etliche Verträge mit den nationalen Verbänden geschlossen, um auf einen einvernehmlichen Nenner zu kommen.  
Derzeit ist es aber noch so, dass man beim Kukkiwon noch nicht auf den Verkauf der Danurkunden an Personen außerhalb der nationalen Verbände verzichten möchte. 

PB: Welchen Wert hat denn eine Danurkunde, die von Prüfern ausgestellt werden, die nicht dem nationalen Verband angehören? Werden diese Urkunden beim Kukkiwon ebenfalls eingetragen?

 HG: Diese Urkunden werden vom Kukkiwon an diese Personen verkauft. Deshalb werden sie dort auch eingetragen. Von der DTU wird diese Graduierung aber nicht akzeptiert. Was die Teilnahme an Welt- und Europameisterschaften angeht, sind diese Urkunden bedeutungslos, da die Nominierungen nur über die nationalen Verbände laufen.
Welchen Wert so eine Urkunde hat, muss jeder Teilnehmer für sich selbst entscheiden. Die DTU richtet ihr Regelwerk nach den Vorgaben des Weltverbandes aus. Wer an einer Danprüfung von einer Person außerhalb eines nationalen Verbandes teilnimmt, der weiß ganz genau, dass hier das Regelwerk keine große Rolle spielt.   

PB: Was muss ein Prüfling bei der DTU für eine Danurkunde bezahlen?

HG: Das hängt von der Graduierung ab. Für den ersten Dan muss der Prüfling bei seinem Landesverband insgesamt 140,- Euro bezahlen. Der Betrag setzt sich zusammen aus 50,- Euro Prüfungsgebühr, 10,- Euro Bearbeitungsgebühr, 50,- Euro gehen an die DTU und 30,- Euro an das Kukkiwon. Die Prüfung zum zweiten Dan kostet dem Prüfling 170,- Euro. Für den ersten und zweiten Dan erhält der Prüfling sowohl eine DTU-Urkunde als auch eine Urkunde vom Kukkiwon.
Wer bei der Danprüfung nicht besteht, bekommt sofort in der Sporthalle die 60,- Euro für die Prüfungs- und Bearbeitungsgebühr in bar wieder ausbezahlt. 

PB: Und was ist beim dritten Dan anders?

HG: Ab dem dritten Dan kann jeder selbst entscheiden, ob er neben der DTU-Urkunde auch noch die Urkunde vom Kukkiwon haben möchte. Ohne Kukkiwon kostet ihm die DTU-Urkunde nur 110,- Euro, und zwar 60,- Euro Prüfungs- und Bearbeitungsgebühr und die 50,- Euro für die DTU. Wer eine Kukkiwon-Urkunde will, muss 95,- Euro extra bezahlen.
Interessant ist vielleicht noch, dass die DTU beim Kukkiwon pro Jahr ungefähr 900 bis 1.000 Danurkunden kauft. 

PB: Für die Landesverbände und für die DTU wäre es ja eigentlich lukrativer, wenn man bei einer Danprüfung keinen mehr durchfallen lassen würde.  

HG: Wenn es nur um den maximalen Gewinn geht, ist die Gefahr natürlich groß, dass man als Prüfer immer wieder mal beide Augen zudrückt. Deshalb gehen ja auch viele Prüflinge, die beim Landesverband oder der DTU durch die Prüfung geflogen sind, so solchen Prüfern. Dort ist die Danprüfung zwar erheblich teurer, allerdings ist die Gefahr, dass man bei so einer Prüfung durchfällt, verschwindend gering.   

PB: Bei Personen, die außerhalb des nationalen Verbandes prüfen, soll eine Danprüfung angeblich 250,- Euro kosten. Stimmt das?

HG: Nach meinem Wissensstand sind 250,- Euro schon ein sehr günstiger Preis für die Prüfung zum ersten Dan. Mit der Höhe der Dangrade steigt natürlich auch der Preis. Die Personen außerhalb des nationalen Verbandes behaupten ja auch nicht, dass sie die Danprüfung zu einem günstigeren Preis als unsere Landesverbände oder die DTU anbieten. Der Preis ist dort zwar recht hoch, dafür ist aber die Durchfallquote äußerst niedrig. 

PB: Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Reiner Hofer, BTU-Präsident:


PB:
In ganz Deutschland gibt es Vereinsmitglieder, die ihre Danprüfung bei Personen ablegen, die nicht dem nationalen Verband angehören. Wie geht Bayern denn mit diesen Mitgliedern um? 

RH: Prinzipiell kann jedes Mitglied für sich selbst entscheiden, bei welchen Personen sie ihre Danprüfungen ablegen möchten. Denn, wir bekennen uns zu einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die sich, um funktionieren zu können, "Spielregeln" aufstellt. So kennen wir Gesetze, Satzungen und Ordnungen. Die Prüfungsordnung ist eine solche "Spielregel", die sich die Landesverbände der DTU gegeben haben.
Zurück zu Danprüfungen. Das Ganze sieht allerdings dann anders aus, wenn ein Bewerber einer Prüferlizenz oder ein lizenzierter Prüfer außerhalb unseres Verbandes selbst als Anwärter teilnimmt oder mitwirkt. Hier greifen dann nachvollziehbar die Regelungen, die für solche Fälle in der "Ordnung zur Vergabe der Prüferlizenz (OVP 2011)" festgeschrieben worden sind. 

PB: Um welche Passage geht es denn im Einzelnen?

RH: In der OVP ist unter anderem festgeschrieben, unter welchen Voraussetzungen man DTU-Prüfer werden kann. Einer dieser Punkte besagt, dass neben seiner persönlichen Eignung und fachlichen Befähigung, er sich auch naturgemäß für die Interessen und Zielsetzungen des organisierten Taekwondo-Sports in Deutschland einsetzen und unseren Verband vorbildlich repräsentieren sowie aktiv unterstützen muss. Wenn ein Bewerber einer Prüferlizenz oder ein Prüfer seine Danprüfung bei einer Person ablegt, die nicht der DTU angehört, dann fehlt es schlichtweg an einer sehr wichtigen Voraussetzung. 

PB: Was hat das denn für Folgen für den Prüfer? 

RH: Wenn der Gesamtvorstand davon Kenntnis erlangt, dass ein Prüfer außerhalb der DTU an einer Prüfung teilgenommen bzw. mitgewirkt hat, wird ihm Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äußern. Ob Sanktionen im Sinne der OVP verhängt werden, ist Sache des Spitzenverbandes. Der Landesverband wird jedoch dazu gehört. Es ist allgemein davon auszugehen, dass dies vom Einzelfall abhängt.    

PB: Welche Optionen sind denn denkbar? 

RH: Da die Teilnahme eines Prüfers oder angehenden Prüfers an einer Danprüfung außerhalb der DTU einen schweren Verstoß gegen die Prüfungsordnung darstellt, ist dies dem Bundesprüfungsreferenten zu melden. Als Sanktionen sieht die OVP eine Verwarnung, eine Herabsetzung der Lizenzstufe, der Entzug der Prüfberechtigung für einen begrenzten Zeitraum oder gar der sofortige Entzug der Prüferlizenz vor. Wie schon erwähnt, das sind Einzelfallentscheidungen, die getroffen werden.  

PB: Kann der Prüfer gegen diese Nichtberücksichtigung rechtlich vorgehen?

RH: Nun, gehen wir davon aus, dass ein Bewerber einer Prüferlizenz vom Gesamtvorstand abgelehnt wird, das heißt, der Landesverband stellt beim Bundesprüfungsreferenten keinen Antrag auf Ausstellung einer Prüferlizenz für die Person X. Da ist natürlich schon zu prüfen, ob ziehende Ablehnungsgründe vorliegen. Allgemein möchte nochmals darauf hinweisen, dass eine Prüferlizenz eine Jahreslizenz ist, die spätestens bis Ende Oktober des Jahres neu zu beantragen ist. Die Landesverbände entscheiden dann jedes Jahr aufs Neue, für welchen Prüfer sie beim Bundesprüfungsreferent einen Antrag auf die Erteilung einer Prüferlizenz stellen. Der Bundesprüfungsreferent kann den Antrag zwar ablehnen, in aller Regel stimmt er den Anträgen der Landesverbände jedoch zu. Noch ein Wort zur rechtlichen Vorgehensweise bei Nichtberücksichtigung. Der Bewerber oder Prüfer kann bei der DTU Einspruch einlegen. 

PB: Wie schaut es denn aus, wenn ein Mitglied des bayerischen Vorstands an einer Danprüfung außerhalb des Verbandes teilnimmt?

RH: In einem solchen Fall muss man deutlich sagen, dass hier die Prüfungsordnung insgesamt nicht greift. Persönlich meine ich jedoch, dass ein ehrenamtlich fungierender Amtsträger, sprich Mitglied des Gesamtvorstandes, nicht an einer Taekwondo-Danprüfung außerhalb der DTU teilnehmen sollte. Die Glaubwürdigkeit des organisierten TKD-Sports würde sicherlich darunter leiden. Da die Vorstandsmitglieder gewählt werden, müssen sie auch ihr Verhalten gegenüber der Mitgliederversammlung vertreten. 

PB: Und wie sieht es mit den Kampfrichtern aus, denen ebenfalls  Lizenz erteilt wurde? 

RH: Auch bei Kampfrichtern ist es nicht in Ordnung, wenn sie außerhalb der DTU eine Danprüfung ablegen. Das würde zwar nicht dazu führen, dass ihnen automatisch die KR-Lizenz entzogen wird. Allerdings würde sich der Kampfrichterreferent in so einem Fall sicherlich überlegen, ob mit diesem Kampfrichter auch in Zukunft eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist. 

PB: Weshalb werden denn eigentlich Danprüfungen bei Prüfern abgelegt, die nicht zur DTU gehören? 

RH: Ich will nicht ausschließen, dass das im Einzelfall auch geschieht, weil eine langjährige freundschaftliche Beziehung zum Prüfer besteht. Leider ist es in den meisten Fällen wohl ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Der Prüfling zahlt eine hohe Prüfungsgebühr und erwartet dafür im Gegenzug, dass er seine Danprüfung besteht. Da stehen eben sehr stark die wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund. Irgendwie verständlich. Es sollte aber nicht so sein. Mit so einer Philosophie kann ich mich nicht anfreunden. 

PB: Ist die Durchfallquote bei den Landesverbänden zu hoch?

RH: Nein, das ist meiner Meinung nach nicht  der Fall. Früher lag die Durchfallquote zwar bei ungefähr fünfzig Prozent. Heute fallen zum Teil nur noch zehn Prozent durch. Übrigens, für diesen positiven Trend habe beigetragen zum einen die gründlichere Vorbereitung mit ihren Trainern und zum anderen die verbesserten Dan-Vorbereitungslehrgänge, die angeboten werden. Für die Prüfer sind die Danprüfungen jedes Mal ein schwieriges Unterfangen. Auf der einen Seite wollen sie nach der Prüfung möglichst allen Teilnehmern die Danurkunden aushändigen. Auf der anderen Seite sind sie sich aber bewusst, dass eine DTU-Danurkunde auch ein Qualitätssiegel ist. Und das soll es auch in Zukunft bleiben. 

PB: Vielen Dank für das Gespräch.