Reiner Hofer: "Trotz aller Erfolge nicht zurücklehnen!"

Für die Bayerische Taekwondo Union lief es im vergangenen Jahr fast schon nach Plan. In nahezu allen Bereichen konnten die geplanten Vorhaben in die Tat umgesetzt werden. Aus der Sicht von BTU-Präsident Reiner Hofer ist die erfolgreiche Saison kein Grund, um sich zurückzulehnen. Ganz nach seiner Devise „Zufriedenheit bedeutet Stillstand!“ geht er im Gespräch mit Peter Bolz auf die erreichten – und auf die neuen - Ziele ein.

PB: Im letzten Jahr hatten viele bayerische Sportlerinnen und Sportler sowohl beim Zweikampf als auch beim Formenlauf  national als auch international die Nase vorne. Ist aus Ihrer Sicht beim Leistungssport alles im grünen Bereich?

RH: Die internationalen Erfolge unserer bayerischen Spitzenathleten sind natürlich ganz toll. Solche Erfolge sind aber nur dann möglich, wenn vor allem in den Vereinen die Grundlage geschaffen werden. Danach muss übergangslos eine weitere Förderung durch den Landesverband und ein nahtloser Übergang zum Nationalkader greifen. Und genau das ist uns auch im letzten Jahr in den beiden Wettkampfdisziplinen hervorragend gelungen.

Diese Erfolge müssen für uns aber auch Ansporn sein, diesen Weg weiterzugehen und uns – wenn möglich – noch intensiver um unseren Nachwuchs zu kümmern. 

PB: Wie sehen Sie denn die Leistungen der bayerischen Wettkämpfer?

RH: Wenn wir jetzt auf den Zweikampf zu sprechen kommen, war das Highlight im letzten Jahr ohne Zweifel das hervorragende Abschneiden unserer beiden bayerischen Olympiateilnehmerinnen. Für Sümeyye Manz hat es nach einem hervorragenden Kampf leider nicht ganz zum Sieg gelangt. Dafür lief es für Helena Fromm, unsere bayerische Leihgabe, absolut hervorragend. Mit dem Sieg der Bronzemedaille war sie eine tolle Werbung für unseren Sport.

Auch bei der Deutschen Meisterschaft in Ingolstadt konnten die bayerischen Wettkämpfer wieder eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass der Zweikampf in Bayern auf einer ganz gesunden Grundlage aufgebaut ist. Bei den Senioren haben wir zum dritten Mal in Folge die Länderwertung gewonnen und bei den Kadetten zum zweiten Mal. Dies sind für mich die Früchte einer guten Nachwuchsarbeit.  

Besonders erfreulich ist aber auch, dass die Challenge Cups, die extra für den Nachwuchs ins Leben gerufen wurden, von den jungen Wettkämpfern sehr gut angenommen werden. In den Starterlisten findet man immer neue Vereine, die zum ersten Mal mit einem oder mehreren Wettkämpfern anreisen.

Am Zweikampf und alles was damit zusammenhängt lässt sich sehr gut darstellen, dass die Mitgliederdatenbank mittlerweile sehr gut von den Vereinen angenommen wurde.

PB: Können Sie mal ein Beispiel angeben?

RH: Bei der letzten Vorstandssitzung hat Kampfrichterreferent Abdullah Ünlübay mitgeteilt, dass wegen der Datenbank die Registrierung vor den Meisterschaften deutlich schneller durchgeführt werden kann, unter anderem auch wegen der neuen Chipkarte, die mittlerweile bei BTU-Turnieren zum Einsatz kommt. Da die Chipkarte mit einem Foto versehen ist, kann die Passkontrolle grundsätzlich entfallen. Aus diesem Grund müssen die Vereine nicht mehr so früh zur Meisterschaft anreisen. 

PB: Weshalb kommt der Nachwuchs vor allem aus der Nürnberger Region?

RH: Das liegt vor allem am Konzept, das wir mit der inzwischen " Bertolt-Brecht-Eliteschule des Sports" - einer Schule mit Mittelschule, Realschule, Gymnasium aus Nürnberg - ins Leben gerufen haben. Und dieses Konzept hat voll eingeschlagen und wird zunehmend von den verantwortlichen Behörden unterstützt. Mit diesem Konzept ist es uns gelungen, die wichtigsten Themen „Schule – Sport – Familie“ unter einen Hut zu bringen.

Voraussetzung, um sich im BBS-Team zu halten, sind gute schulische Voraussetzungen und natürlich auch sportliche Leistungen. Deshalb sind die BBS-Schüler nicht nur gut auf der Kampffläche und holen dort zahlreiche Medaillen, sie haben in aller Regel auch gute Noten.

Unser Ziel für 2013 muss es sein, das Konzept des Internats St. Paul - Haus der Athleten - in Nürnberg auszubauen. Momentan ist das Internat noch zu teuer für die Eltern. Wenn wir es aber schaffen, dass wir den Beitrag, wie geplant für das Schuljahr 2013/14 für die Eltern auf monatlich 250,- Euro zu senken, sind wir einen großen Schritt weiter.

PB: Sind Sie mit den Leistungen im Poomsaebereich zufrieden?

RH: Für den bayerischen Poomsaebereich war das Jahr 2012 nach dem so erfolgreichen Jahr 2011 absolut herausragend. Drei WM-Goldmedaillen bei der letzten Weltmeisterschaft in Kolumbien für das „bayerische“ Synchronteam mit Raffaella Delli Santi, Andrea Gruber und Tanya Bußmann und die Bronzemedaille von Samira Stetter.

Auf nationaler Ebene hat unser bayerisches Team bei der German Open in Ingolstadt in der Teamwertung den ersten Platz gewonnen. Auch hier zeigt sich, dass die Zusammenarbeit zwischen den Vereinen und den Landestrainern und dann natürlich auch zwischen den Landes- und Bundestrainern hervorragend funktioniert.

Vor allem im Technikbereich hat sich gezeigt, dass wir in Bayern ausreichend auch bei der Ausbildung der Punktrichter vorne liegen. Das Ziel für 2013 sollte es aber sein, noch mehr Kampfrichter mit einer Bundeskamprichterlizenz auszubilden. 

PB: Wie sieht denn die finanzielle Situation in Bayern aus?

RH: Seit Jahren haben wir einen soliden Haushalt. Das letzte Jahr haben wir erneut mit einem kleinen Plus abgeschlossen – und das, obwohl wir erst vor ein paar Jahren die Gebühren gesenkt hatten.

In den Finanzgesprächen, die ich jedes Jahr mehrmals mit Gerd Kohlhofer führe, prüfen wir immer wieder, ob wir die Gebühren noch weiter senken können. Mittlerweile haben sich die Landespräsidenten darauf geeinigt, dass sie sich Gedanken darüber machen, wie man die Gebühren innerhalb der Landesverbände so nah wie möglich anpassen kann. Deshalb muss man das Ergebnis dieser Gespräche abwarten, bevor wir weitere Senkungen in Aussicht stellen können.

PB: Kommen wir doch mal zum Breitensport. Konnten hier alle Ziele umgesetzt werden?

RH: Zum Breitensport beziehe ich die Bereiche Schulsport und Jugend mit ein. Unübersehbar sind derzeit noch die Defizite beim Schulsport und im Jugendbereich. Auf die gesellschaftlichen Herausforderungen, die zum Beispiel das G-8 und die Ganztagsschulen mit sich bringen, haben wir noch keine praktikable Antworten gefunden.

PB: Wie meinen Sie das im Detail?

RH: Die Schüler werden heute durch das G-8 oder durch die Einführung der Ganztagsschulen zeitlich ganz anders gefordert. Dadurch bleibt für die Schüler einfach weniger Zeit für den Sport im Verein. Für uns als Verband ist in der Schule aber ein sehr großes Nachwuchspotential. Wir müssen deshalb einen Weg finden, wie wir sozusagen den Verein in die Schule bringen.

Im letzten Jahr haben wir mehrere Appelle und Aufrufe an unsere Mitglieder geschickt. Es hat sich aber gezeigt, dass es damit einfach nicht getan ist. Es bewegt sich einfach alles zu langsam. Wir müssen deshalb ein Konzept ausarbeiten, das wir den wichtigen Entscheidungsträgern in persönlichen Gesprächen näherbringen.

Auch im letzten Jahr hat sich wieder gezeigt, dass die Jugendarbeit in Vereinen immer noch stiefmütterlich behandelt wird. Es fehlen aktive Jugendarbeiter in den Vereinen. Das ist schade, denn auf keinem Gebiet könnte ein Verein mit relativ wenig Aufwand gegenüber den Eltern der Jugendlichen glänzen – sie müssten die Jugendlichen eigentlich nur zur den angebotenen Jugendmaßnahmen schicken. Eine konkrete Lösung, wie man dieses Thema angehen kann, habe ich auch nicht parat. Ich denke aber, dass sich vieles zum Besseren wenden würde, wenn die Verzahnung zwischen den Vereinen und dem Jugendleiter verbessert wird.

PB: Vielen Vereinen fehlt vielleicht das Geld für eine aktive Jugendarbeit.

RH: Am Geld sollte es eigentlich nicht liegen. Von der Bayerischen Sportjugend gibt es genügend Finanztöpfe, aus denen solche Initiativen bezahlt werden können. Im Rahmen der neuen Sportförderrichtlinien des Kultusministeriums wird eine Vielzahl an Projekten finanziell unterstützt. Konkret werden Spielfeste, Sporttage und verschiedene Workshops gefördert. Das gilt aber auch für alle Maßnahmen, mit denen man neue Mitglieder gewinnen kann. Wer sich einen Kopf macht und seine Kreativität spielen lässt, muss für solche Maßnahmen nicht viel Geld aus der Vereinskasse in die Hand nehmen. Das ausfüllen von solchen Anträgen ist kein Problem. Hier stehen wir natürlich jedem Verein hilfreich zur Seite.

PB: Zur nächsten MV tritt Wilfried Pixner von seinem Amt als Vizepräsident Technik/Breitensport zurück. Steht schon ein Nachfolger fest?

RH: Das ist richtig. Nachdem Heinz Gruber, der momentan noch amtierende Prüfungsreferent, zum 31.01.2013 zurückgetreten ist, hat Wilfried Pixner wiederum sein Amt als Vizepräsident Breitensport und Technik zur Verfügung gestellt, da er das Prüfungsreferat übernehmen möchte. Auf der einen Seite ist natürlich schade, dass Wilfried für dieses Amt nicht mehr zur Verfügung steht. Da wir aber mit ihm wieder einen absoluten kompetenten Spitzenmann für das Prüfungswesen gewinnen werden, sehe ich das Ganze mit einem weinenden und einem lachenden Auge.

PB: Sind Sie mit dem Angebot beim Breitensport zufrieden?

RH: Als Präsident der BTU würde ich nie einräumen, dass ich zufrieden bin. Gleichzeitig ist es aber Fakt, dass gerade im letzten Jahr der kostenlos angebotene Lehrgang sowie der Wochenend-Lehrgang in Oberhaching von den Mitgliedern überaus positiv angenommen wurden. Wir werden unseren Mitgliedern diese sehr attraktiven Angebote auch in diesem Jahr wieder anbieten.

Trotz allem müssen wir darüber versuchen, unseren Mitgliedern ein noch breiteres Breitensportangebot zu entwickeln. Ich könnte mir vorstellen, dass dazu beispielsweise reine Lehrgänge für Kinder und Jugendliche zählen, die noch nicht zu unserem Verband gehören. Denkbar wären Kontakte zu Freizeitheimen und ähnlichen Einrichtungen zu führen. Sinnvoll wären auch Maßnahmen für ehemalige Aktive, die wieder mit dem Taekwondo anfangen wollen. Ich denke hier auch an eigene Kup- und Dan-Prüfungen für Mitglieder, die über 40 Jahre alt sind. Viele fühlen sich nämlich nicht sehr wohl, wenn sie gemeinsam mit den Jungen an so einer Prüfung teilnehmen sollen.

PB: Wenn wir schon mal beim Thema Prüfungswesen sind – wie stehen Sie zu der neuen Prüfungsordnung? 

RH: Der überarbeiteten Prüfungsordnung, die vorläufig zum Jahresanfang in Kraft gesetzt worden ist, stehe ich sehr positiv gegenüber. Die Prüfungsordnung stärkt innerhalb des Verbandes die Position des Prüfers als Bindeglied zwischen dem Verein und dem Verband. Nach außen signalisiert die neue Ordnung den Aktiven der verschiedenen Taekwondo-Institutionen, dass sich unser Verband geöffnet hat und es sich lohnt, Mitglied zu werden.

Schon immer war die Aufnahme von anderen Verbänden, die geschlossen in die DTU eintreten wollten, wegen der alten Prüfungsordnung einfach nicht möglich. Viele Gespräche über einen Eintritt in die DTU scheiterten in aller Regel daran, dass die Dangraduierungen, die außerhalb der DTU abgelegt wurden, von unserem Verband einfach nicht anerkannt wurden. Das ist vom Tisch. Die neue Regelung ist ein großer Schritt, um Gespräche in dieser Richtung neu aufnehmen zu können.

Abgesehen davon werden die Vereine mit der neuen Prüfungsordnung natürlich auch viel stärker in die Verantwortung genommen.

PB: Was meinen Sie denn mit „in die Verantwortung genommen“?

RH: In der neuen Prüfungsordnung wurden zum Beispiel die Wartezeiten zwischen den Kup-Prüfungen komplett gestrichen. Es liegt jetzt also in der Entscheidung der Vereinstrainer, ob sie einen Prüfling zu jeder Gürtelprüfung zulassen.

PB: Weshalb wurden denn die Wartezeiten aus der Prüfungsordnung herausgenommen?

RH: Damit wollte man den Sportlerinnen und Sportlern entgegenkommen, die deutlich öfter als die breite Masse ins Training gehen. In der Prüfungsordnung werden nur noch Trainingseinheiten vorgegeben, die von den Prüflingen zwischen den einzelnen Kup-Prüfungen absolviert werden müssen. Diese Vorgabe dient eher als Schutzfunktion gegenüber der körperlichen Entwicklung des jungen Menschen.

PB: Wenn man mal über den bayerischen Tellerrand hinausschaut, wie schaut denn die Zusammenarbeit mit dem neuen DTU-Präsidium und den anderen Landesverbänden aus?

RH: Am Rande der DTU-Wahlversammlung im Oktober 2012 wurde ich von Landespräsidenten darauf angesprochen, ob ich ein Treffen der Landespräsidenten organisieren könnte. Dem habe ich natürlich zugestimmt. Das erste Treffen unter neuen Vorzeichen findet  am Samstag während der Deutschen Meisterschaft in Ingolstadt statt. Dort werden wir Themen besprechen, die für die Landesverbände von Bedeutung sind.

PB: Wie viele Landesverbände werden denn bei diesem Treffen teilnehmen?      

RH: Bis jetzt haben zwölf Landesverbände ihr Kommen zugesagt. Als Gast wird DTU-Präsident Dr. h.c. Park Soo-Nam an dem Treffen teilnehmen. Ich bin sicher, dass wir bei diesem Treffen viele neue Wege ebnen können, die für die Weiterentwicklung des organisierten Taekwondo-Sports hilfreich sind.   

PB: Vielen Dank für das Gespräch.