Gesellschaftlicher Stellenwert des Taekwondo

Sozusagen als Nebeneffekt werden beim Taekwondo mehrere Fähigkeiten erlernt bzw. verfeinert, die man sich auf andere Weise nur mühsam aneignen kann. So ist Taekwondo beispielsweise neben der Verbesserung der Koordinationsfähigkeiten und der Bewegungsmotorik ist auch hervorragend dazu geeignet, die Konzentration, die körperliche Fitness, das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl erheblich zu steigern.

Taekwondo und Kinder
Schon alleine wegen dieser positiven Aspekte ist Taekwondo besonders dazu geeignet, die Entwicklung von Kindern in körperlicher und geistiger Hinsicht zu fördern. Es gibt aber auch noch andere Gründe, weshalb sich Taekwondo als eine Art Erziehungshilfe herauskristallisiert hat. Von der ersten Stunde an wird den Kindern klar gemacht, dass die Fairnss zum obersten Prinzip gehört. Die Kinder lernen sehr schnell, dass man die Schwäche eines anderen nicht ausnutzt.
Da die Farbe des Gürtels beim Taekwondo-Sport ein äußeres Zeichen des Könnens symbolisiert, ist jedes Kind - und selbstverständlich auch jeder Jugendliche oder Erwachsene - bestrebt, an der nächsten Gürtelprüfung teilzunehmen. Um die Prüfung zu bestehen, lernen Kinder ganz schnell, dass man sein Ziel erreichen kann, wenn man sich dafür einsetzt. Viele Eltern können ein Lied davon singen, denn nicht selten werden vor Gürtelprüfung die Sesselgarnituren verschoben werden, da-mit das Kind im Wohnzimmer genug Platz zum Üben hat. Taekwondo als Schulsport Nicht ohne Grund wurde Taekwondo in Bayern 1990 für den Differenzierten Sportunterricht (DSU) zugelassen. Dass Taekwondo den Zugang in die Turnhallen der bayerischen Schulen gefunden hat, ist dem in München wohnenden Reiner Hofer zu verdanken. In Zusammenarbeit mit den Eltern eines Münchner Gymnasiums konnte er das Kultusministerium von der positiven Seite des Taekwondo überzeugen. Es spricht für die flexible und offene Art des Ministeriums, dass man dort bereit war und ist, zum Wohle der Kinder neue Wege zu gehen.

Taekwondo bei der Bundeswehr
Bei der Bundeswehr wurden sogenannte Sportfördergruppen ins Leben gerufen, in denen die Spitzensportler auch während ihrer Dienstzeit ihren Sport ausüben können. 1981 wurde auch für ausgewählte Taekwondo-Kaderathleten in der Sportfördergruppe der Bundeswehr in der Generaloberst-Beck-Kaserne in Sonthofen diese Möglichkeit geboten. Georg Streif, der seit der Gründung zuerst als Spitzenathlet und dann als Stützpunkttrainer der Sportfördergruppe angehört, hatte in den Anfängen einen schweren Stand. "Von den anderen Sportlern wurden wir damals als Akteure aus Kung-Fu-Filmen betrachtet. Erst durch gemeinsames Training haben sie unseren Sport und unser Leistungen akzeptiert."
Mittlerweile hat sich die Taekwondo-Gruppe durch beachtliche Erfolge einen respektablen Ruf verschafft. Mehrere Titel und Medaillen, die das deutsche Team bei Olympiaden, Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und Militär-Weltmeisterschaften gewinnen konnte, hat sich die Sonthofener Truppe auch internationale Anerkennung erworben.
Durch die Errichtung von Stellen für Taekwondo bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr besteht für alle Wettkämpfer - und seit 1993 auch alle Wettkämpferinnen - die Chance, während ihres Dienstes unter professionellen Bedingungen zu trainieren. Ein bisschen Glück gehört allerdings dazu, um einen der begehrten Plätze zu bekommen. Man muss zum Nationalkader gehören, Perspektive haben, das Einstellungsverfahren bestehen, die DTU muss einen vorschlagen und es muss ein Platz frei sein.

Taekwondo in der Justizvollzugsanstalt
Als Gisela Bartmann, damaliges Präsidiumsmitglied des BLSV, 1996 den Vorschlag unterbreitete, mit einem ausgesuchten Kreis von weiblichen jugendlichen Inhaftierten der JVA Aichach einen Taekwondo-Kurs als "Anti-Aggressivitäts-/Antigewalt-Training" durchzuführen, musste sie erst einmal bei den Skeptikern viel Überzeugungsarbeit leisten. Argwöhnisch waren verständlicherweise die Bediensteten, die Probleme beim täglichen Umgang mit den Frauen befürchteten. Es gab aber auch viele Stimmen, die in dem Projekt eine Chance sahen, an die Frauen heranzukommen, die sich abgekapselt hatten und einfach ihre Zeit absaßen.
Finanziert wurde das Projekt "Taekwondo in der JVA" vom Bayerischen Justizministerium. Die wissenschaftliche Betreuung übernahm Frau Katja Merkenschlager von der Bayerischen Sportjugend im BLSV.
Das Ergebnis des Projektes übertraf alle Erwartungen. Bereits nach den ersten Trainingseinheiten stellte Frau Gerda Dotzauer, die Diplom-Psychologin der JVA Aichach, bei den jungen Frauen eine ruhigere und zufriedenere Umgangsart fest. Sie bestätigte ferner, dass sie seit dem Training viele Gespräche führen konnte, die vorher einfach undenkbar waren.
Text: Peter Bolz (überarbeitet von Reiner Hofer, 01-2014)