von Reiner Hofer
- Persönliche Eindrücke von einer emotionsgeladenen Versammlung -
Erstmals nahm ich als Ehrenpräsident der Bayerischen Taekwondo Union an dieser spannungsgeladenen und für den organisierten Taekwondo-Sport in Deutschland richtungsweisenden Versammlung teil. Mit einer Vollmacht ausgestattet, hatte ich Rede- und Stimmrecht. Ich war damit der offizielle Vertreter der BTU; übrigens auch abgesegnet vom Rechtsausschussvorsitzenden RA Thomas Blanke. Mein BTU-Präsidentennachfolger Gerd Kohlhofer fungierte primär als Vizepräsident Wirtschaft und Finanzen der Deutschen Taekwondo Union und musste in dieser Funktion über Gebühr Rede und Antwort stehen, was er auch bravourös getan hatte.
Im Vorfeld dieser Veranstaltung wurde ich von den meisten Teilnehmern und Teilnehmerinnen sehr freundschaftlich begrüßt. Das war für mich ein Zeichen, dass mein Engagement auf Bundesebene in den verschiedenen Gremien, in denen ich mitgewirkt habe und zum Teil noch mitwirke, anerkannt worden ist.
Die freundschaftliche Atmosphäre war beim Abendessen am Freitag deutlich zu spüren. Fehlen durften natürlich nicht die sogenannten Thekengespräche im Hotel unter den Teilnehmern aus 14 Landesverbänden. Drei Landesverbände hatten aus privaten bzw. gesundheitlichen Gründen keine Vertreter entsendet.
Frisch geduscht, geföhnt und rasiert ließ ich mir ein leichtes müsligerechtes Frühstück am Samstag schmecken. Um 10.00 Uhr versammelten sich die Akteure des heutigen Tages im Sitzungssaal und warteten gespannt auf den Beginn der Mitgliederversammlung. Insgesamt 27 stimmberechtigte Vertreter waren anwesend incl. der Stimmen der fünf Präsidiumsmitglieder.
Relativ pünktlich konnte der DTU-Präsident die Sitzung eröffnen und die Anwesenden begrüßen. Auf einem Papier war alles deutlich und verständlich formuliert. Nun wurde Klaus Ermler, Leiter der Satzungs- und Ordnungs-Kommission, gefragt, ob er die Moderation übernehmen wolle. Nachdem alle dieser Bitte entsprachen, übernahm er die Versammlungsleitung. Ging es doch in erster Linie um die neue Satzung und eine Reihe von Ordnungen, die vorgestellt, diskutiert und verabschiedet werden sollten. Vorweg ist festzustellen, dass die Wahl dieser Person ein Glücksgriff war. Klaus Ermler führte souverän und sachlich durch die anschließende Sitzung, die nicht zu jedem Zeitpunkt harmonisch verlief. Das hatte ich nicht anders erwartet und war gut vorbereitet.
Nach seiner Begrüßung zitierte er Passagen in seiner Funktion als Moderator der Fachkommission zum Thema "Klärung der Rechtsfragen und Überprüfung des Verfahrens ETU./.DTU". Ruhig aber bestimmt erklärte er nochmals den Werdegang, der zu den Unstimmigkeiten zwischen ETU und DTU geführt hatte. Eine Ursache, konnte ich vernehmen, sei die Weitergabe eines internen Papiers, genannt "Offener Brief", gewesen, der von einer Person an die ETU weitergeleitet worden sei. Nach der anschließend "leichten" Diskussion war der Informationsdurst gelöscht und man wandte sich dem nächsten Tagesordnungspunkt "Protokoll der letzten MV" zu. Unproblematisch verlief die Zustimmung des Protokolls vom 29.03.2014 – aber, etwas lag wie ein Damoklesschwert in der Luft. Nun gut.
Im Saal ließ sich eine leicht knisternde Spannung nicht leugnen. Man spürte es förmlich und beobachtete genau die Kommentare ganz bestimmter Personen. Dieses innerliche bzw. geistige Abtasten des Anderen, auch das manchmal auf Provokation ausgerichtete Verhalten des Gegenübers, führte wohl letztendlich dazu, dass die neue Satzung mit zum Teil gravierenden Änderungen - ich erinnere nur an die unterschiedliche Stimmenverteilung bei Wahlen und bei Abstimmungen - geradezu glatt über die Bühne ging. Der intelligente und gleichermaßen solidarische Vorschlag des hessischen Präsidenten überraschte nahezu alle, und zwar, dass bei Wahlen jeder Verband nur eine Stimme haben sollte. Aber auch dieser Vorschlag fand Gehör und bekam ohne Murren die erforderliche Mehrheit. Da wurden sicherlich einige Kröten geschluckt. Von der inszenierten aufgeheizten Vorfeldstimmung seit Ende letzten Jahres war insgesamt erstaunlicherweise nichts mehr zu spüren. Das war schon äußerst erstaunlich - aber auch erfreulich.
Interessant anzumerken ist noch, dass gleich zu Beginn der Versammlung, bei der Feststellung der stimmberechtigten Mitglieder, die Mitgliederzahl eines Landesverbandes angezweifelt worden ist. Bei 20 gemeldeten Vereinen sei kein einziges mittelbares Mitglied in die Datenbank gemeldet worden. Das könne ja so nicht sein. Da müsse ein Irrtum vorliegen. Daraufhin versuchte die mit Vollmacht ausgestattete Vertreterin dieses Landesverbandes Klarheit zu schaffen. Auf den Einwand, dass es eigentlich kein Votum für die Erfassung der Mitglieder in der Datenbank gebe, erklärte ich, dass bei der DTU-MV am 19. März 2011 die Anwesenden mehrheitlich zugestimmt hätten, die "Datenbank für DTU-Mitglieder verbindlich einzuführen" (Anm.: Siehe auch Fotos und Bericht im TA aktuell vom April 2011, Seite 24). Der Betreiber stellte damals persönlich die Verwaltungsdatenbank bei dieser MV vor.
Nach einer einstündigen Mittagspause ging es pünktlich um 14.00 Uhr weiter. Der frühe Nachmittag, der nur durch eine kurze Kaffeepause unterbrochen wurde, war geprägt von den Neuerungen der Ordnungen: Aufnahme-, Geschäfts- und Zuständigkeits-, Rechts- und Verfahrens-, Rechts-, Ehren-, Wettkampf Zweikampf-, Wettkampf Poomsae- oder Ordnung für den Sportverkehr Technik (OST). Auch die Ordnungen mit ihren zahlreichen Veränderungen passierten erstaunlich rasch die Hürde der Zustimmungen.
Mit Beginn des Tagungspunktes 05 "Berichte des Präsidiums" am späten Nachmittag stieg die Spannung im Raum. Nach Hinweis des Präsidenten auf seinen schriftlichen Bericht gab es zunächst keine Wortmeldung. War dieser doch gespickt von massiven Angriffen in Richtung Verantwortlichkeit der Finanzen. Im Tenor lautete der Vorwurf: Er, der Präsident habe keinen Überblick mehr. Das war – angesichts der präsidialen Gesamtverantwortung - schon bemerkenswert. Das sind gezielt direkte Unterstellungen an die Adresse des Vizepräsidenten Wirtschaft und Finanzen.
In der Aussprache stellt der für die Finanzen Verantwortliche für alle Anwesenden verständlich dar, um was es sich im Einzelnen handele. Und dies in ruhiger sachlicher aber unmissverständlicher Tonlage. Da in einem sog. Fragebogen, zusammengestellt vom Präsidenten von Schleswig-Holstein, auch einige Finanzfragen angesprochen werden sollten, gab es eigentlich keine weiteren Fragen an den Vizepräsidenten Wirtschaft und Finanzen.
Der Vizepräsident Technik erläuterte ergänzend zu seinem eingereichten Tätigkeitsbericht weitere aktuelle Themen, die seinen Bereich betreffen. Als Koordinator des Satzungs- und Ordnungskomitees berichtete er nochmals über die Vorgänge seit dem Einmischen der ETU in die Angelegenheiten des nationalen Verbandes. Das letzte gemeinsame Gespräch in Athen habe gezeigt, dass die nun heute von der MV genehmigte neue DTU-Satzung durchaus konform mit internationalen Reglements sei. Er sprach einen besonderen Dank an den ETU-Präsidenten aus, der sehr entgegengekommen sei. So könne jetzt das frühere harmonische Miteinander von beiden Seien angestrebt werden. Nach diesen Erläuterungen sprachen Einzelne von einer "Luftblase", die künstlich herbeigeführt worden sei. Wer dahinter steckte, wurde konkret nicht angesprochen.
Ausführlich musste der für die neue Homepage der DTU verantwortliche Vizepräsident Breitensport sich mit den Anforderungen dieser Medienkultur auseinandersetzen. Natürlich ging es dabei auch um das Finanzielle. Nach einer lebhaften Diskussion wird klargestellt, dass Änderungen jederzeit problemlos durchgeführt werden könnten. Abschließend stellte er als zuständiger Ressortleiter den neuen Bundeslehrreferenten, der auch anwesend war, vor. Mit dem kompetenten Lehrreferenten des Landesverbandes Niedersachsen, ein Pädagoge, ist damit ein würdiger Nachfolger gefunden worden.
Da bei der Genehmigung der Tagesordnung vom Präsidenten des Landesverbandes Schleswig-Holstein angeregt wurde, den von ihm zusammengestellten "Fragenkatalog - eine Sammlung der offenen Fragen aus den DTU-Landesverbänden" - möglichst frühzeitig behandeln zu lassen, einigten sich die Anwesenden, dass nach den "Berichten der Präsidiumsmitglieder" dieser Fragenkatalog behandelt werden soll. Ein großer Teil dieser Fragen war bei der letzten Präsidenten-Tagung im Januar 2015 angesprochen worden.
So gegen 18.00 Uhr war es dann soweit. Von den 17 Fragen u.a. German Open 2014, German 2015, Ausrichten eines Europäischen Qualifikationsturniers , Deutsche Meisterschaft, Schaffung von neuen Stellen in der DTU, ohne Info an die Landesverbände, GAL-Karten-Situation, DTU-Ehrenpräsidenten, Fahrt nach Korea etc., wurde nach der ausführlichen Beantwortung der Frage 10 so gegen 21.40 Uhr die MV unterbrochen. Die aufgeheizte Stimmung war so eindeutig, dass auf die weiteren Fragen auch im Hinblick auf das für 19.00 Uhr angesetzte Abendessen allseits verzichtet worden ist.
Zwei- und mehrseitige Gespräche wurden dann bis etwa 04.30 Uhr (Anm.: Zeitumstellung berücksichtigt) geführt.
Am Sonntag, 29. März, ist die MV kurz nach 10.00 Uhr fortgesetzt worden. Die fünf Präsidiumsmitglieder besprachen sich nochmals intern außerhalb des Sitzungssaales. Die Vertreter der Landesverbände hatten zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Plätze eingenommen. Die Tür ging auf und die fünf "Weisen" betraten den Versammlungsraum. Kurz danach verkündete der Versammlungsleiter, dass ein Antrag auf eine außerordentliche Mitgliederversammlung vorliege. Er erläuterte die rechtliche Situation und las den Inhalt vor. Tenor des Antrags: Unter anderem sei das Vertrauen des Präsidenten verloren gegangen, eine konstruktive Zusammenarbeit der Vizepräsidenten mit dem Präsidenten sei nicht mehr möglich. Eine eigenartige Stille herrschte nun im Saal.
Nachdem alle diesen Antrag vernommen hatten, ging es zügig und ohne Komplikationen nach der Tagesordnung weiter. Als erstes informierte Vizepräsident Wirtschaft und Finanzen die Teilnehmer über den Jahresabschluss 2014 und den Haushaltsentwurf 2015. Wohl noch unter dem "Schock" des o.g. Antrags auf eine außerordentliche MV, die ja eigentlich erwartet worden ist, gab es keine inhaltlichen Fragen zu den weiteren Berichten.
Ein Kassenprüfer stellt nun den Antrag auf Entlastung des Präsidiums. En bloc sind alle Präsidiumsmitglieder entlastet worden (!). Es gab lediglich vier Enthaltungen. Alles Weitere wurde, wie man so schön sagt, durchgewunken. Gegen 11.30 Uhr war die MV zu Ende.
Für mich war es eine denkwürdige Versammlung. Die Verantwortlichen zeigten, dass es wichtig ist, in schwierigen Situationen Flagge zu zeigen, offen in die Diskussionen zu gehen, sich auf das Ziel des organsierten Taekwondo-Sports in Deutschland und darüber hinaus auszurichten und wieder das Miteinander in den Vordergrund zu stellen!