Ein ungeliebter Präsident?

Es ist traurig, aber leider wahr, die Deutsche Taekwondo Union steckt momentan in der größten Krise, die sie bisher bewältigen musste. So viel steht jetzt schon fest, alleine kann sich der Verband dieses Mal nicht aus dem Schlamassel ziehen. Das angerichtete Chaos ist mittlerweile so groß, dass der Scherbenhaufen nur mit Hilfe der Gerichte beseitigt werden kann. Wann der deutsche Verband wieder zum Alltag zurückkehren kann, lässt sich momentan nicht sagen. 

Normalerweise ist es die Aufgabe eines Präsidenten, seinen Verband aus einer Krise herauszuführen. Aber, und das ist das Dilemma bei dieser Krise, in diesem Fall geht es um den Präsidenten, also um die Position von Dr. Park Soo-Nam. Viele würden ihn am liebsten sofort loswerden und von seinem Amt abwählen. Ein entsprechender Antrag wurde von sieben Landesverbänden, darunter auch die Bayerische Taekwondo Union, gestellt. Und gegen diese geplante Abwahl setzt sich Präsident Park, der seinen Platz partout nicht räumen will, mit juristischen Mitteln zur Wehr. Mittlerweile sind bereits mehrere Rechtsanwälte involviert. Was dabei herauskommt, kann sich wohl jeder selbst ausmalen. Der Druck im Kessel wird höher, es wird - davon kann man wohl ausgehen – einige Opfer geben.

Harmonie bei den Neuwahlen
Wer wissen will, wie es so weit kommen konnte, muss die Zeit ein bisschen zurück drehen. Bei der DTU-Wahl Ende 2012 trat Park Soo-Nam, damals war er DTU-Vizepräsident, als Kandidat für das Präsidentenamt an. Nach einem beherzten Wahlkampf erhielt er von den Landesverbänden eine deutliche Mehrheit und löste Heinz Gruber als Präsident ab. Neben Park Soo-Nam wurden noch zwei weitere Vizepräsidenten in das aus fünf Personen bestehende Präsidium gewählt.

Offensichtlich war im Präsidium von Anfang an der Wurm drinnen. Dem Vernehmen nach soll es bereits bei der ersten Sitzung zu lautstarken Meinungsverschiedenheiten gekommen sein. Viele Außenstehende waren der Meinung, dass die fünf Mitglieder des Präsidiums erst zueinander finden müssen. Tatsächlich verfestigte sich aber der Riss, der die kleine Gruppe teilte. Nach nur wenigen Monaten machte zum ersten Mal eine beabsichtigte Suspendierung von Park Soo-Nam die Runde.

Geplante Suspendierung
Laut der Satzung besteht für ein Präsidium tatsächlich die Möglichkeit, gegen den Präsident eine Suspendierung - also eine Abwahl - auszusprechen. Diese müsste dann allerdings von den Landesverbänden bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung bestätigt werden.

Da viele so einen Schritt für übereilt hielten und wohl auch um das Ansehen der DTU fürchteten, gab es immer wieder Versuche, aus den fünf Mitgliedern des Präsidiums ein schlagkräftiges Team zu formen. Letzten Endes führten aber die dauernden gegenseitigen Vorwürfe und vor allem die mangelnde Kommunikation zu keinem brauchbaren Ergebnis.

Im September 2013, also ein Jahr nach der Wahl, konnte die Suspendierung nur mit der Drohung abgewandt werden, dass sich die Landesverbände für eine Neuwahl aussprechen würden. Sofern es aber dazu kommen sollte, würden sich auch die Präsidenten der beiden größten Landesverbände als Kandidaten für einen Posten als Vizepräsident aufstellen lassen. Danach war dann zunächst mal ein bisschen Ruhe.

Der „Frieden“ hielt aber nicht sehr lange an. Die Streitereien untereinander führten dazu, dass die Mitglieder des Präsidiums im September 2014 eine recht kuriose Vereinbarung ausarbeiteten, von der heute vor allem Präsident Park nichts mehr wissen will.  

Eine kuriose „Gemeinsame Erklärung“
In einer von allen fünf Mitgliedern des Präsidiums beschlossenen „Gemeinsamen Erklärung“ wurde festgehalten, dass die interne Geschäftsführung ab sofort Musa Cicek, der für den Zweikampf zuständige Vizepräsident, übernommen wird. Außerdem sollen alle Entscheidungen, die die DTU betreffen, gemeinsam im Präsidium getroffen werden. Unter Punkt drei wurde in dieser doch recht ominösen Erklärung auch noch schriftlich festgehalten: „Im Falle der Nichteinhaltung erfolgt die Suspendierung.“ Die „Gemeinsame Erklärung“ wurde von allen fünf Mitgliedern mit Unterschrift und – wie einem vorliegenden Protokoll zu entnehmen war - per Handschlag besiegelt.

Wie muss und soll man denn so einen im Geheimen ausgehandelten Vertrag bewerten? Für Nichtjuristen liest sich das so, als hätte Park-Soo-Nam im September 2014 auf sein Amt als Präsident zumindest teilweise verzichtet und die präsidialen Amtsgeschäfte an Musa Cicek übergeben. Wenn das so gewesen sein sollte, dann stellt sich natürlich auch die Frage, wie sehr einem sein Amt am Herzen liegt, wenn man so was unterschreibt.

Ob so eine Erklärung überhaupt eine rechtliche Substanz hat ist eine Frage, die von Juristen sicherlich unterschiedlich und sehr differenzierter bewertet werden dürfte. Die moralische Bewertung – also der Maßstab, mit dem Nichtjuristen einen Sachverhalt beurteilen - dürfte wohl sicherlich ganz anders ausfallen.

Aber gehen wir in der Geschichte weiter. Trotz dem selbst auferlegten Versprechen, nichts von diesen geheim getroffenen Vereinbarungen nach außen zu tragen, blieb dieses „Geheimnis“ nicht allen verborgen. Es gab natürlich Gerüchte. Vermutlich weil es den Anschein hatte, als würde das Ganze funktionieren, kam aus den Reihen der Landesverbände kein Veto gegen diese interne „Neuwahl“.

Anschuldigungen im Rechenschaftsbericht
Bis Februar 2015 kam es im Präsidium zwar immer wieder zu kleineren Reibereien, die aber im Sinne der getroffenen Vereinbarung geklärt werden konnten. Sechs Wochen vor der Mitgliederversammlung im März 2015 brach der Streit aber wieder ganz offen aus. Aus zunächst unerklärlichen Gründen erhob Park Soo-Nam in seinem Rechenschaftsbericht ganz massive Vorwürfe gegen Gerd Kohlhofer, dem Vizepräsidenten Wirtschaft und Finanzen.

Weshalb sich der eigentlich eher zurückhaltende Park Soo-Nam zu derartigen verbalen Attacken verleiten ließ, stieß allgemein auf Unverständnis. Dem Vernehmen soll ihm ein guter „Freund“ den Rat gegeben haben, mit so einem Rundumschlag gegen Gerd Kohlhofer vorzugehen. Eigentlich schwer zu glauben, da Park Soo-Nam auf Grund seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Funktionär ganz genau wusste, dass seine Vorwürfe nicht folgenlos bleiben würden. Dass er dabei auch noch absolut grundlos die „Gemeinsame Erklärung“ brach, spielte dabei nur noch eine untergeordnete Rolle.  

Üblicherweise werden die Rechenschaftsberichte mit der Tagesordnung ungefähr sechs Wochen vor der Mitgliederversammlung an alle Landespräsidenten verschickt. Dort wurden die erhobenen Vorwürfe gegen den Vizepräsidenten Gerd Kohlhofer sehr aufmerksam gelesen und nach dem Wahrheitsgehalt abgeklopft. Dabei wurde dann deutlich, dass die Vorwürfe nicht haltbar sind.

Fragenkatalog der Landesverbände
Nachdem bei den Landesverbänden durch ständig kursierende Gerüchte im Laufe der Zeit etliche unbeantwortete Fragen zu den unterschiedlichsten Themen angesammelt hatten, wurde von den Landesverbänden beschlossen, dass alle offenen Fragen in einem Fragenkatalog gebündelt werden sollten.

Jeder Landesverband bekam die Möglichkeit, seine Fragen online und anonym an den Landesverband Schleswig-Holstein zu schicken. Dieser wurde beauftragt, für alle eingegangenen Fragen einen Fragenkatalog zu erstellen. Zu diesem sollte dann das Präsidium während der Mitgliederversammlung im Rahmen einer Aussprache ausführlich Stellung beziehen. Am Ende waren es 17 Fragen, auf die eine Antwort erwartet wurde. Der Fragenkatalog wurde dem Präsidium zur Vorbereitung natürlich zugesandt.

Die letzte Frage bezog sich übrigens auf die „Gemeinsame Erklärung“. Ein unbekannter Landesverband wollte wissen, warum Musa Cicek seit September 2014 die interne Geschäftsführung im Präsidium übernommen hätte.

Für die Mitgliederversammlung wurden zwei Sitzungstage angesetzt. Mit der Abarbeitung des Fragenkatalogs wurde am Ende des ersten Sitzungstags begonnen. Die Fragen wurden eine nach der anderen vorgelesen und vom jeweils zuständigen Vizepräsidenten beantwortet. Von der Mitgliederversammlung wurde natürlich registriert, dass sich Park Soo-Nam an der Beantwortung der Fragen nicht beteiligte. Nachdem die Vizepräsidenten jede Frage nachvollziehbar beantworten konnten, wurde die Fragestunde vorzeitig beendet.

Antrag auf Außerordentliche Mitgliederversammlung
Nach der Aussprache waren einige Landespräsidenten ganz offensichtlich der Meinung, dass eine sinnhafte Zusammenarbeit des Präsidiums in der momentanen Zusammensetzung einfach nicht mehr möglich ist. Aus diesem Grund stellten sieben Landesverbände schriftlich den Antrag auf die Einberufung einer Außerordentlichen Mitgliederversammlung, und zwar mit dem Ziel, Park Soo-Nam von seinem Amt als Präsident abzuberufen. Als kurze Begründung wurde angegeben, dass die Landesverbände das Vertrauen in den Präsidenten verloren hätten.

Laut Satzung der Deutschen Taekwondo Union muss - die Betonung liegt hier beim Wörtchen „muss“! – eine Außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen werden, wenn mindestens ein Drittel der Landesverbände dies schriftlich unter der Angabe der Gründe beim Präsidium beantragt. Zu dieser Außerordentlichen Mitgliederversammlung muss dann innerhalb von sechs Wochen eingeladen werden.

Um es mit aller Deutlichkeit zu sagen, der Antrag auf Einberufung einer Außerordentlichen Mitgliederversammlung bedeutet eigentlich nur, dass sich die Präsidenten aller Landesverbände, das Präsidium sowie die Kassenprüfer und der Rechtsausschuss nochmals treffen, um ausführlich über den Antrag zu diskutieren. Dabei kann dann jeder Stellung nehmen und seine Sicht der Dinge deutlich machen. Erst danach wird von den Landespräsidenten und dem Präsidium über den Antrag - in diesem Fall, ob Park Soo-Nam von seinem Amt als Präsident abberufen werden soll - mit einfacher Mehrheit abgestimmt.

Keine Einladung vom Präsident
Jetzt wird es juristisch ein bisschen kompliziert, dafür aber auch recht interessant. Die Einladung zur Mitgliederversammlung muss - auch hier liegt die Betonung bei dem Wörtchen „muss“! - durch den Präsident erfolgen. Eine andere Alternative ist in der Satzung der DTU nur vorgesehen, wenn der Präsident verhindert ist.

Juristisch betrachtet könnte man sich jetzt fragen, ob Park Soo-Nam überhaupt noch berechtigt ist, die Landesverbände zur Außerordentlichen Mitgliederversammlung einzuladen. Schließlich hat er mit seiner Unterschrift und per Handschlag die interne Geschäftsführung an Musa Cicek übertragen. Und zur internen Geschäftsführung müssten ja eigentlich auch die Einladungsschreiben an die Landesverbände zählen.

Im Prinzip stellt sich diese Frage aber nicht mehr, denn nach der Mitgliederversammlung distanzierte sich Park Soo-Nam in einem Schreiben an alle Landesverbände ausdrücklich von der „Gemeinsamen Erklärung“. Seinen Angaben nach hätte er diese Erklärung nicht unterschrieben, um einer Suspendierung zu entgehen. Weshalb er unterschrieb, führte er nicht aus.

Eigentlich, so sieht es zumindest die Satzung vor, hätte Pak Soo-Nam die Einladung an die Landesverbände spätestens bis zum 10. Mai 2015 verschicken müssen. Er hat sich aber dazu entschlossen - und das ist in der Satzung der DTU nicht vorgesehen - die Landesverbände einfach nicht einzuladen. Seiner Meinung nach würde eine Abberufung des Präsidenten ohne Angabe eines wichtigen Grundes der DTU-Satzung widersprechen. Deshalb werde er als DTU-Präsident diesem unzulässigen Antrag nicht Folge leisten.

Rechtsanwalt zerreißt Rechtsausschuss in der Luft
Mittlerweile versuchen bereits mehrere Juristen, den bereits recht verworrenen Sachverhalt in die Richtung ihrer persönlichen Rechtsmeinung umzubiegen. Dies ist zwar legitim, aber was das für unseren Verband bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen.

Einen Vorgeschmack davon bekam der Rechtsausschuss zu spüren. Dieser hat den Landesverbänden in einer „Entscheidung“ noch einmal deutlich gemacht, dass Park Soo-Nam als Präsident verpflichtet ist, die Landesverbände zur beantragten Außerordentlichen Mitgliederversammlung einzuladen. Prompt wurde der gesamte Rechtsausschuss vom Rechtsanwalt - und zwar dem Rechtsanwalt von Park Soo-Nam - als inkompetent in der Luft zerrissen. Laut Angaben des Anwaltes wäre der Vorsitzende des Rechtsausschusses befangen, zudem wurde einer der beiden Beisitzer satzungswidrig gewählt. Auf die Argumente in der „Entscheidung“ des Rechtsausschusses wurde nur am Rande eingegangen.

Dass ein international anerkannter Rechtsanwalt den Rechtsausschuss eines Sportverbandes als „Kontrahenten“ ansieht und deshalb als unfähig abkanzelt, kann man ja mit viel Wohlwollen noch hinnehmen. Schließlich hat er einen Auftrag, für den er bezahlt wird. Womöglich weiß so ein Rechtsanwalt auch nicht, dass es sich bei den Mitgliedern des Rechtsausschusses um Personen handelt, die ihre Freizeit für „ihren“ Sport opfern. Man kann aber getrost unterstellen, dass es ihm herzlich egal sein dürfte.

Aber - in diesem Fall handelt es sich um den Rechtsanwalt von Präsident Park Soo-Nam. Von ihm als Präsident könnte und sollte man doch eigentlich erwarten, dass er sich schützend vor die Mitglieder seines Rechtsausschusses stellt und sie nicht von seinem Rechtsanwalt zerreißen lässt. Denn, das muss man mal festhalten, wenn bei der Wahl des Rechtsausschusses tatsächlich etwas falsch gelaufen sein sollte, dann ist ja wohl letztendlich der Präsident dafür verantwortlich.  

Offensichtlich geht Park Soo-Nam davon aus, dass er von der Mehrheit der Landesverbände bei einer Außerordentlichen Mitgliederversammlung von seinem Amt als Präsident abberufen werden dürfte. Dass er deshalb auch keine große Lust verspürt, die Einladung für seine eigene Abberufung zu schreiben, kann man durchaus verstehen. Die Chancen einer gütlichen Einigung im Falle eines Rücktritts wurden von ihm ausgeschlagen. 

Wie es in dieser verworrenen Angelegenheit weitergehen dürfte, wurde sowohl vom Rechtsanwalt als auch vom Rechtsausschuss schon mal deutlich gemacht. Die Deutsche Taekwondo Union muss und wird beim Gericht einen Antrag stellen, dass das weitere Vorgehen, insbesondere die Einladungen an die Landesverbände, gerichtlich geklärt wird.

Wie die Entscheidung des Gerichts ausfällt, muss man abwarten. Fest steht aber, dass gegen so einen Gerichtsentscheid natürlich ein Widerspruch eingelegt werden kann. Auf diese Weise haben die Landesverbände zwar das Nachsehen - aber der Präsident bleibt im Amt. Vermutlich geht es nur darum, so viel Zeit wie möglich zu schinden - koste es, was es wolle!

Text: Peter Bolz