Außerordentliche Mitgliederversammlung der DTU: „Außer Spesen nichts gewesen“

DTU-Präsident Stefan Klawiter

Am vergangenen Samstag wurde im „Haus des Sports“ in München auf Antrag von sechs Landesverbänden eine außerordentliche Mitgliederversammlung durchgeführt. In der Begründung für den Antrag wurde genannt, dass die Rechtanwaltskosten für die gerichtlichen Klagen, die vom Landesverband TU-NRW gegen die DTU geführt wurden, sehr hoch wären. Außerdem wollten die Antragsteller wissen, weshalb der Landesverband Saarland einen Zuschuss von 30.000,- Euro überwiesen bekam. 

Von den anwesenden Vertretern der Landesverbände wurde die Abwahl von DTU-Präsident Stefan Klawiter sowie den Vizepräsidenten Gerd Kohlhofer, Rainer Tobias und Randolf Baldauf abgelehnt. Lediglich für bei Jannis Dakos, dem Vizepräsident Zweikampf stimmten die Delegierten einer Abwahl zu. Nachdem sich Jannis Dakos bei der Neuwahl gegen seinen Gegenkandidaten Ali Riza Ünlüsoy ganz knapp (40:39) durchsetzen konnte, blieb auch er wieder in seinem Amt. Am Ende hieß es für alle angereisten Funktionäre: „Außer Spesen nichts gewesen!“.

Die Akteure und Strippenzieher
Für alle, die an den Hintergründen rund um den Antrag auf eine außerordentliche DTU-Mitgliederversammlung interessiert sind, hier noch ein paar Fakten über die Akteure und Strippenzieher. Man kann davon ausgehen, dass der Antrag, dass in Deutschland ein Präsidium abgewählt werden soll, im Ausland mit großer Verwunderung zur Kenntnis genommen wurde.

Aber der Reihe nach. Der Antrag auf die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zur Abberufung des DTU-Präsidiums und anschließender Neuwahl wurde vom Landesverband Taekwondo Union Süd-West (TUSW) gestellt, genauer gesagt von TUSW-Präsident Peter Mauser und seinem Vizepräsidenten Waldemar Helm. Eine konkrete Begründung wurde von beiden nicht angegeben.

Unterstützt wurde der Antrag von fünf weiteren Landesverbänden bzw. deren Präsidenten. Es ist nicht bekannt, ob die Unterstützung des Antrages nach Rücksprache im eigenen Verband erfolgte. Unterstützt wurde der Antrag von:

Taekwondo Union Thüringen (TUT) - Präsident: Rene Richter
Taekwondo Union Baden-Württemberg (TUBW) – Präsident: Wolfgang Brückel
Hessische Taekwondo Union (HTU) – Präsident: Dr. Nuri Shirali
Taekwondo Union Rheinland-Pfalz (TURP) – Präsident: Horst Sperling
Taekwondo Union Hamburg (TUH) – Präsident: Hamid Rahimi

Eine schamhafte Zurückhaltung
Dass der Antrag nicht von der Taekwondo Union Nordrhein-Westfalen (TUNRW) unterstützt wurde, sorgte kurzfristig für Verwirrung. TUNRW-Präsident Antonio Barbarino versicherte mehrfach, dass er von dem Antrag nichts gewusst hätte. Für Insider klang sein Dementi nicht so recht glaubhaft.

Die schamhafte Zurückhaltung des TUNRW-Präsidenten wird verständlich, wenn man weiß, dass Antonio Barbarino mit seiner letzten Klage von der DTU für die verzögerte Aufnahme als Landesverband einen Betrag von ca. 300.000 Euro forderte. Die Landesverbände verweigerten die Bezahlungen, weil diese Zuschüsse vom Ministerium über den Landesportverband an die Sportverbände weitergereicht werden. Die DTU hat mit der Auszahlung von Zuschüssen nichts zu tun.

Gescheiterte Mediation
Bei einer von beiden Parteien angeregten Mediation, die von einem hohen Richter geleitet wurde, stellte dieser nach eingehender Prüfung der Sachlage fest, dass die DTU für die in der Forderung enthaltenen Zuschüsse nicht in Haftung genommen werden könne, da die Zahlungen dieser Zuschüsse in der Verantwortung der Landessportverbände liegen würde. Anders gewertet müssten aber die ebenfalls in der Forderungen angeführten Sponsorengelder, sofern deren Zahlung von einer Aufnahme als Landesverband in der DTU abhängig gemacht wurde. Die als realistisch einzustufende Vergleichssumme würde sich demzufolge auf einen mittleren fünfstelligen Betrag reduzieren. Der vorgeschlagene Vergleich wurde von Antonio Barbarino abgelehnt. 

Während der Euro 2022 in Manchester setzten sich DTU-Präsident Stefan Klawiter und Schatzmeister Gerd Kohlhofer mit Antonio Barbarino und seinem Vertreter Dr. Michael Lehner an einen Tisch und einigten sich auf eine Vergleichszahlung in Höhe von 120.000 Euro. Da kurz nach der Euro der Gerichtstermin über die Zahlung wegen der entgangenen 300.000 Euro anstand, konnten die Landesverbände nicht mehr um eine Zustimmung zur Vergleichszahlung gebeten werden.

Gemeinsame Erklärung zerplatzt
Am 9. Juni 2022 unterschrieben Stefan Klawiter und Antonio Barbarino eine gemeinsame Erklärung über die Einigung nach dem erfolgreichen Vergleich und über den weiteren Umgang miteinander. Wörtlich wurde zwischen beiden vereinbart:

„Beide Parteien haben vereinbart, zukünftig respektvoll miteinander umzugehen und haben eine partnerschaftliche und konstruktive Zusammenarbeit zugesagt. Jetzt gilt es, den Fokus und die gemeinsame Kraft wieder vollständig auf die sportlichen Erfolge und die Entwicklung unseres Verbandes zu richten.“

Angesichts dieser großartig formulierten Erklärung ist es verständlich, dass Antonio Barbarino in seiner Funktion als Präsident der TUNRW und gleichzeitig auch noch als Generalsekretär der Europäischen Taekwondo Union (ETU) den Anschein erwecken wollte, dass ein von ihm gegebenes Versprechen auch wahrhaftigen Bestand hat. Der Antrag auf Abwahl des Präsidiums wurde am 28. Juli 2022 gestellt, also genau sieben Wochen nach der gemeinsamen Erklärung.

Die Maske fällt
Eine Woche vor der Mitgliederversammlung bestätigte sich dann, dass die TUNRW - trotz der gemeinsamen Erklärung - den Antrag auf Abwahl des DTU-Präsidiums unterstützte. In einem Facebook-Eintrag schrieb Dr. Michael Lehner, Vizepräsident der  TUNRW:

„In einer Woche entscheidet der deutsche Taekwondo Sport über seine Zukunft: Schluss mit den Streitigkeiten der Vergangenheit. Mit neuen Köpfen muss der Sport wieder im absoluten Vordergrund stehen. Weiter machen wie bisher geht gar nicht!!“

Mit einem „respektvollen Miteinander“ und „partnerschaftlicher Zusammenarbeit“ hat so ein Verhalten wirklich überhaupt nichts zu tun. In Bayern nennt man so was hinterfotzig!

Die tragikomische Rolle
Die tragikomische Rolle bei dieser „Außerordentlichen“ übernahm Julian Akich, ein ehemaliger Wettkämpfer und Rechtsanwalt aus Karlsruhe. Schriftlich und im Gespräch versuchte er den Eindruck zu erwecken, dass er den Antrag inszeniert hätte, um der DTU einen Neuanfang zu ermöglichen. Julian Akich bewarb sich für den Fall einer Neuwahl auch für das Präsidentenamt und für das Amt des Vizepräsidenten Wirtschaft und Finanzen.

Ob die Initiative für die Neuwahlen tatsächlich von ihm ausging, erscheint mehr als fraglich. Wie sich nämlich herausstellte, hatte sich der 34-Jährige Julian Akich schon vor längerer Zeit vom aktiven Taekwondosport verabschiedet. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war er in der Datenbank der DTU nicht als Mitglied registriert. Als ihm erklärt wurde, dass nur DTU-Mitglieder für Ämter gewählt werden können, meldete er sich beim Verein von TUBW-Präsident Brückel an.

Kompliment an das Präsidium
Bevor noch kurz auf die Versammlung eingegangen wird, ist es angebracht, dem DTU-Präsidium ein großes Kompliment ausgesprochen. Sowohl DTU-Präsident Klawiter als auch die vier Vizepräsidenten erklärten sich innerhalb von 48 Stunden damit einverstanden, die gewünschte außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen.

Das Präsidium hätte den Antrag auch ablehnen und auf Deutschland eine neue Klagewelle zurollen lassen können. Sicherlich werden sich noch viele an die hässlichen Szenen erinnern, die ausgelöst wurden, weil sich der damalige DTU-Präsident Park Soo-Nam mit allen erdenklichen Mitteln weigerte, eine „Außerordentliche“ einzuberufen.

Auch bei Antonio Barbarino, der sich mit aller Macht an seinen Posten als NWTU-Präsident klammerte, musste erst vom Landgericht zur Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung gezwungen werden. Bei seiner Abwahl gab es dann recht unerfreuliche Szenen. Deshalb nochmals ein Dankeschön an das DTU-Präsidium, dass uns ein Deja-vu mit diesen unappetitlichen Zuständen erspart wurde.

Aufforderung zum freiwilligen Rücktritt
Bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung in München, bei der 79 Stimmen aus den Reihen der Verbände und 5 Stimmen der fünf Präsidiumsmitglieder festgestellt wurden und Thomas Blanke zum Moderator ernannt wurde, ging es dann recht schnell zur Sache.

Der Hamburger Präsident Hamid Rahimi machte die Anregung, jetzt sofort ein fünfköpfiges Gremium zusammenzustellen, dass einen Vorschlag ausarbeiten soll, wie man mit der in Frage kommenden Abwahl der Präsidiumsmitglieder umgehen sollte. Die ausgearbeiteten Vorschläge sollten umgesetzt werden, wenn 80 Prozent der Anwesenden zustimmen würden. Die Anregung wurde als nicht durchführbar abgelehnt.

Daraufhin forderte Dr. Michael Lehner die Präsidiumsmitglieder auf, ihre Ämter niederzulegen, um Neuwahlen zu ermöglichen. Dies wurde – aus verständlichen Gründen – abgelehnt.

Aussprache
TUSW-Präsident Peter Mauser wurde gebeten, sich zu seinem Antrag zu erklären. Dabei ging er – wie schon mehrfach - darauf ein, dass er sich mit seinem Verband ebenfalls in die DTU eingeklagt hätte und die DTU den Prozess gegen die TUNRW niemals hätte führen dürfen. Ihm wurde daraufhin – zum wiederholten Male - erklärt, dass alle Klagen von der TUNRW gegen die DTU geführt wurden und die Landesverbände das Präsidium jedes Mal damit beauftragt hatten, den Klageweg zu beschreiten.

Als weiterer Punkt stand die Frage im Raum, weshalb der Landesverband Saarland einen jährlichen Zuschuss bekommen würde. Nachdem den Landesverbänden erklärt wurde, dass es sich dabei um die Mischfinanzierung für eine Trainerstelle und eine gleichzeitige Unterstützung für den überlasteten Sportdirektor handelte, ging es um die Abstimmung, wer von den fünf Präsidiumsmitgliedern von seinem Amt abberufen werden soll.

Abwahl des Vizepräsidenten Zweikampf
Um eine korrekte Abstimmung durchführen zu können, wurde eine Wahlkabine aufgebaut. Für jedes Präsidiumsmitglied wurden die Landesverbände einzeln aufgerufen, um in der Kabine ihre Stimmen abzugeben.

Das Wahlergebnis war dann erstaunlich. Von den Landesverbänden wurde bei Stefan Klawiter, Gerd Kohlhofer, Rainer Tobias und Randolf Baldauf eine Abberufung von ihrem Amt abgelehnt. Lediglich bei Jannis Dakos wurde die Abwahl von seinem Amt als Vizepräsident Zweikampf befürwortet. Da es sich bei Jannis Dakos um einen engen Freund von Antonio Barbarino handelt, hatte sicherlich nicht jeder damit gerechnet, dass Jannis Dakos als einziger von den Landesverbänden abgewählt wurde.

Gegenkandidat Ali Ünlüsoy unterliegt mit nur einer Stimme
Neben Jannis Dakos, der erneut als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten Zweikampf antrat, stand als Gegenkandidat nur noch Ali Riza Ünlüsoy auf der Liste. Nachdem beide ihre Konzepte vorgetragen und sich anschließend den Fragen der Landesverbände gestellt hatten, gaben die Landesverbände dem redegewandteren Jannis Dakos sein Amt als Vizepräsident mit nur einer Stimme Vorsprung wieder zurück.

Damit wurde die außerordentliche Mitgliederversammlung offiziell beendet. Man kann nur hoffen, dass alle aus dieser „Schneiderfahrt“ ihre Lehren gezogen haben. Deutschland hat sich in den letzten Jahren schon genug blamiert.


Text und Fotos:
Peter Bolz