Europameisterschaft 2021: Desaster in Sofia

Ela Aydin (TSV 1865 Dachau)

Trotz der aktuellen Corona-Situation wurde vom 8. bis 11. April in Sofia/Bulgarien die Europameisterschaft der Senioren ausgetragen. In den jeweils acht Gewichtsklassen bei den Damen und Herren gingen insgesamt 362 Teilnehmer auf die Kampfflächen. 

Die gesamte Europameisterschaft wurde im großräumigen Areal des Grand Hotel Millennium in Sofia abgewickelt. Alle an der Europameisterschaft beteiligten Personen mussten bei der Anreise einen negativen Corona-Test vorlegen und durften nur im Millennium-Hotel einchecken. Im Hotel wurde dann von allen Personen ein erneuter Test durchgeführt. Danach durfte das Hotel nicht mehr verlassen werden. Die Wettkämpfe selbst wurden in einem großen Saal des Hotels auf drei Flächen ausgetragen.

Das deutsche Nationalteam reiste mit einer nahezu komplett besetzten Mannschaft nach Sofia, darunter auch acht Kadermitglieder aus bayerischen Vereinen. Eigentlich sollte auch Vanessa Körndl bei den Damen bis 67 kg in Sofia antreten. Da sie aber positiv auf Corona getestet wurde, konnte sie nicht an der Europameisterschaft teilnehmen.

Neben dem deutschen Team gingen in Sofia auch drei Kaderathleten an den Start, die mit Flüchtlingsstatus in Deutschland wohnhaft sind. In dieses vom europäischen Verband aufgestellte Flüchtlingsteam wurde auch Kimia Alizadeh Zenoorin nominiert, die für Taekwondo Özer Nürnberg startet und in Aschaffenburg wohnt. Kimia gewann 2014 bei der Jugend-Olympiade die Goldmedaille, bei den Olympischen Spielen 2016 gewann sie Bronze. In Sofia wurde sie von Davoud Etminani aus Großbritannien gecoacht. Kimia verlor ihren zweiten Kampf im Viertelfinale gegen die spätere Europameisterin Bruna Vuletic aus Kroatien.

Das deutsche Damenteam wurde von der Bundestrainer Boris Winkler betreut, das Herrenteam von Bundestrainer Vanja Babic. Beide wurden von den Disziplin-Bundestrainern Bernhard Bruckbauer und Sergej Kolb, dem Bundestrainer (Bundeswehr), unterstützt.Die Wettkämpfe des deutschen Teams wurden von Klaus Haggenmüller per Video aufgenommen. Als Leitender Bundestrainer übernahm Georg Streif die Koordination sowie alle anfallenden organisatorischen Belange.

Die medizinische Betreuung lag in den Händen von Dr. Frank Düren. Als Physiotherapeut kümmerte sich Oliver Reiss um das körperliche Wohl der deutschen Kaderathleten.

Abdullah Ünlübay, der bayerische Kampfrichter-Referent, wurde in Sofia als internationaler Kampfrichter eingesetzt und war im Livestream mehrfach bei seiner hervorragenden Arbeit als Center-Referee beobachtet werden.

An jedem der vier Wettkampftage wurden auf drei Kampfflächen jeweils zwei Gewichtsklassen bei den Damen und bei den Herren durchgekämpft.  

Was die Ausbeute an Medaillen angeht, muss man die Europameisterschaft in Sofia aus deutscher Sicht als eine einzige Katastrophe bezeichnen. Mit nur einer einzigen Bronzemedaille, die Ela Aydin in der Damenklasse bis 49 kg gewinnen konnte, blieb das deutsche Team deutlich hinter den Erwartungen zurück. Um es noch deutlicher zu sagen: die erschütternde und magere Medaillenausbeute zeigt mehr als deutlich auf, dass Deutschland in eine bisher noch nie dagewesenen Krise schlittert. 

Seit 1976 werden die Europameisterschaften für die Senioren ausgetragen. In diesen 45 Jahren musste das deutsche Team noch nie mit nur einer gewonnenen Bronzemedaille die Heimreise antreten. Es macht keinen Sinn, diese beschämende Desaster von Sofia mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten schön zu reden. Jetzt ist es höchste Zeit, dass sich alle Verantwortlichen an einen Tisch setzen und endlich mal Tacheles reden.

Auf Ioannis Dakos, der für den Zweikampf verantwortliche Vizepräsident, warten jetzt jede Menge an strukturellen Hausaufgaben. Schöne Worte genügen jetzt nicht nicht! Jetzt müssen endlich tragfähige Konzepte auf den Tisch, mit denen sich der deutsche Leistungssport aus der Krise befreien kann. Ioannis Dakos muss jetzt endlich das umsetzen, was er den Landesverbänden im letzten Jahr in seiner imposanten Wahlrede versprochen hat – den rigorosen strukturellen Umbau des deutschen Kaders, um deutlich mehr Medaillen als in der Vergangenheit zu gewinnen und Deutschland wieder an die europäische Spitze zu führen. Diese Wahlversprechen konnte Ioannis Dakos in Sofia leider noch nicht in die Tat umsetzen.

Bleibt zu hoffen, dass es sich bei diesem Euro-Debakel nur um einen einmaligen Ausrutscher gehandelt hat, der schnell zu den Akten gelegt werden kann. Die nächste Chance, diese schmerzhafte Scharte wieder einigermaßen auszubügeln, steht bereits vor der Tür. Am 7. Mai findet das europäische Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele statt. Dort werden drei Kadermitglieder aus Deutschland versuchen, sich ins Finale vorzukämpfen, um sich ein Ticket für die Teilnahme an den Olympischen Spielen zu sichern.  

Nachfolgend die „bayerischen“ Wettkämpfe im Einzelnen:

Damenklasse bis 49 kg – Ela AYDIN
In der mit 18 Teilnehmerinnen besetzten Klasse gewann Ela AYDIN (TSV 1865 Dachau) ihren ersten Kampf vorzeitig mit 21 zu 0 Punkten gegen Andrea Schnell aus der Schweiz. Im Viertelfinale konnte sie sich deutlich mit 14 zu 3 Punkten gegen Nikoleta Kostova aus Bulgarien durchsetzen und sicherte sich damit einen Platz auf dem Siegertreppchen. Im Halbfinale unterlag die Dachauerin dann gegen Liana Musteata, der späteren Zweitplatzierten aus Rumänien, mit 2 zu 9 Punkten.

Demirhan Aydin, der Vater und Heimtrainer von Ela, reiste auf eigene Kosten nach Sofia, um seine Tochter zu unterstützen.

Damen bis 62 kg – Anna-Lena FRÖMMING
Anna-Lena Frömming (TKD Özer Nürnberg) musste gleich bei ihrem Auftaktkampf gegen Jone Magdaleno aus Spanien eine 9-zu-6-Niederlage akzeptieren.

Damen bis 73 kg – Alema HADZIC
Im ersten Kampf konnte sich Alema Hadzic (TKD Özer Nürnberg) mit 23 zu 1 Punkten deutlich gegen die Ukrainerin Iryna Pypot durchsetzen. Im Viertelfinale unterlag sie dann aber gegen Polina Khan, der späteren Bronzemedaillengewinnerin aus Russland knapp mit 0 zu 1 Punkten.

Damen über 73 kg – Lorena BRANDL
Für Lorena Brandl (SV Nennslingen), die sich von einem Corona-Virus erholen musste und sehr kurzfristig die Zusage für ihre Euro-Teilnahme bekam, lief in Sofia nicht alles nach Plan. In der mit 15 Teilnehmerinnen besetzten Klasse konnte sie sich zunächst knapp gegen die Türkin Ikra Kayir durchsetzen, unterlag danach aber im Viertelfinale mit 21 zu 24 Punkten gegen Marlene Jahl aus Österreich.

Herren bis 54 kg – Emircan ONUS
In der mit 21 Teilnehmern besetzten Klasse musste Emircan Onus (KSC Leopard Nürnberg) gleich im ersten Kampf eine 6-zu-22-Niederlage gegen Samuel Bedart aus Frankreich akzeptieren.

Herren bis 63 kg – Iordanis KONSTANTINIDIS
Iordanis Konstantinidis (TSV 1865 Dachau) stand nach seinem 16-zu-10-Sieg gegen Miroslav Frgolec aus der Slowakei im Viertelfinale. Seinen Kampf um einen Medaillenplatz verlor er gegen den Italiener Simone Crescenzi relativ klar mit 2 zu 11 Punkten.

Herren bis 68 kg – Imran ÖZKAYA
In seiner mit 33 Teilnehmern besetzten Klasse konnte sich Imran Özkaya (TKD Varol Neu-Ulm) mit 26 zu 21 Punkten gegen Nikola Vuckovic aus Serbien durchsetzen. Im Achtelfinale verlor er gegen Javad Aghayev aus Aserbeidschan.

Herren bis 80 kg – Tahir GÜLEC
Tahir GÜLEC (TKD Özer Nürnberg) kam in seiner mit 28 Teilnehmer besetzten Klasse nach einem Sieg gegen Edgaras Abromavicius (Litauen) eine Runde weiter und bezwang danach im Achtelfinale den Franzosen Ismael Bouzid problemlos mit 21 zu 9 Punkten. Im Viertelfinale musste er gegen Milad Beigi, den zweifachen Weltmeister aus Aserbeidschan, antreten. Der Nürnberger verlor den Kampf vorzeitig mit 24 zu 1 Punkten.