Keine Medaillen bei Jugend-Weltmeisterschaft in Sofia

Die Jugend-Weltmeisterschaft 2022 wird wohl als eines der dunklen Kapitel in die Chronik der Deutschen Taekwondo Union (DTU) eingehen. Während der sechs Wettkampftage gewann von den 15 deutschen Kaderathleten kein einziger eine Medaille. So ein bedrückendes Ergebnis hat es bisher noch nie gegeben. 

Um es gleich vorwegzunehmen, die Schuld an der aktuellen Misere liegt mit Sicherheit nicht bei den jugendlichen Kaderathleten. Die haben auf der Kampffläche ihr Bestes gegeben und haben versucht, dort alles einzusetzen, was ihnen im Training beigebracht wurde. Es stellt sich die Frage, weshalb die deutschen Teams bei den großen Turnieren nicht mehr konkurrenzfähig sind, während es kleinere Nationen immer wieder in die Medaillenränge schaffen.

Sportlich wurde das 14-köpfige deutsche Jugendteam von Bundestrainer Boris Winkler betreut. Unterstützt wurde er dabei von den drei Disziplinbundestrainern Demirhan Aydin, Dimitrios Lautenschläger und Denis Liedtke. Als Head of Team kümmerte sich Georg Streif um die Organisation vor Ort für das Team. Ioannis Dakos, der für den Leistungssport zuständige DTU-Vizepräsident, war nicht in Sofia, um wenigstens das deutsche Team moralisch zu unterstützen.

Man beachte: Bei der Jugend-Weltmeisterschaft in Sofia durften Wettkämpfer und Wettkämpferinnen aus Russland und Weißrussland nicht teilnehmen.

In Sofia wurden fünf Wettkämpferinnen und drei Wettkämpfer aus bayerischen Vereinen in das deutsche Nationalteam nominiert. Leider konnte der Nürnberger Kerim Kücüksungur verletzungsbedingt bei der männlichen Jugend über 78 kg nicht an den Start gehen.

Über 800 Jugendliche gingen in der „Multifunctional Sports Hall Arena Armeec“ in Sofia an den Start. Gekämpft wurde auf den fünf Wettkampfflächen, eine davon erhöht, mit dem elektronischen Westensystem von KPNP. In Sofia kam das neue Regelwerk zur Anwendung, wer als zwei Runden für sich entscheiden konnte, hatte den Kampf gewonnen. Jede Runde ist mit null Punkten begonnen worden.  

Was die Wettkämpfe der sieben bayerischen Athleten angeht, bleibt aufgrund der Leistungen der vergangenen Wochen und Monate ein Rätsel. Dass nur Adiba Asimi (TSV 1865 Dachau) ihren Auftaktkampf gewinnen konnte, ist nicht nachvollziehbar.  Für alle anderen war die Weltmeisterschaft gleich nach dem ersten Kampf vorbei.

Am ersten Wettkampftag musste Nur Arayan (KSC Leopard Nürnberg) bei der weiblichen Jugend bis 44 kg im ersten Kampf gegen Dilshoda Mirkhaydarova aus Usbekistan antreten. Die Nürnbergerin kam mit dem Kampfstil der Usbekin nicht zurecht und verlor mit 2 zu 0 Runden.  

In der weiblichen Jugendklasse bis 49 kg musste Leonie Mayer (TV Altmannstein) im ersten Kampf gegen Kamonchaok Seeken, die spätere Vizeweltmeisterin aus Thailand, antreten. Obwohl Leonie der Thailänderin das Leben schwer machte, unterlag sie am Ende mit zwei Runden.

Auch für Adiba Asimi (TSV 1865 Dachau) lief die Auslosung nicht optimal. Ihren ersten Kampf gegen Lamouden Ikram aus Marokko konnte die Neu-Dachauerin mit einem Zwei-Runden-Sieg für sich entscheiden. Im Achtelfinale unterlag sie dann aber mit zwei Runden gegen Yeowon Seo, der späteren Weltmeisterin aus Korea. 

Bei der männlichen Jugend bis 59 kg kam für Khaled Abdel Halim (TSV 1865 Dachau) das frühe Aus im ersten Kampf gegen Carlos Cortes, dem amtierenden Zweitplatzierten der Pan Am Championships 2022. Auch der Dachauer verlor mit zwei Runden.

Was die Auslosung betrifft, lief es auch für Vincent Hörmann (SV Raisting) nicht gerade optimal. Gleich im ersten Kampf hatte er es mit  Inhyuk Lee, dem späteren Weltmeister aus Korea, zu tun und verlor mit zwei Runden.

Auch für Roja Rezaie (Taekwondo Özer Nürnberg) kam das vorzeitige Aus im ersten Kampf der Klasse bis 63 kg gegen Sara Pidro. Gegen den Kampfstil der körperlich größeren Bosnierin fand Roja zwei Runden lang kein Konzept.

In der Klasse über 68 kg musste Medina Karimova (TSV 1865 Dachau) im ersten Kampf gegen Julia Fernandez Insa aus Spanien antreten. Nach der ersten verlorenen Runde gewann die Dachauerin die zweite Runde, unterlag aber am Ende der Spanierin mit 1 zu 2 Runden.

Die sportlichen Erfolge des deutschen Jugendteams waren mehr als überschaubar. Wenn zehn von 14 Kaderathleten ihren Auftaktkampf verlieren, müssten bei allen, die für den Leistungskader verantwortlich sind, alle Alarmglocken schrillen. Es wäre unfair, den Jugendlichen die alleinige Schuld für das Malheur in die Schuhe zu schieben. Alle Sportler bereiten sich im Training und bei Lehrgängen auf große Meisterschaften vor und geben dort ihr Bestes.

Wenn nahezu das komplette Team bei einer Weltmeisterschaft nicht mal die erste Runde übersteht, spricht vieles dafür, dass der Leistungssport Zweikampf in einer ganz üblen strukturellen Krise steckt. Das aktuelle Desaster betrifft nicht nur den Jugendbereich, sondern auch die Kadetten und die Senioren. Es wird höchste Zeit, dass endlich die richtigen Maßnahmen eingeleitet werden, um nicht gänzlich auf eine internationale Bedeutungslosigkeit zu schlittern. 


Text:    Peter Bolz
Fotos:  DTU (Facebook)