Vize-Präsident Georg Streif: „Wir sind ständig am Ball!“

Die weltweite Corona-Krise hat auch den Taekwondosport voll im Griff. Seit Wochen und Monaten können die Vereine ihren Mitgliedern kein gewohntes Training anbieten. Zwischendurch gab es zwar mal die zaghafte Hoffnung auf eine Besserung der Situation, die nach einem erneuten Lockdown aber wieder zerplatzte. 

Auch beim bayerischen Leistungssport stehen schon seit langer Zeit alle Räder still. Trotzdem wird im Hintergrund fieberhaft gearbeitet, um für die Zeit nach dem momentanen Dornröschenschlaf vorbereitet zu sein.

Im Gespräch mit Pressereferent Peter Bolz äußert sich BTU-Vizepräsident und Bundestrainer Georg Streif, wie sich der bayerische und deutsche Leistungssport darauf vorbereitet, um für die Zeit nach der Krise bestens gewappnet zu sein.

 

BTU:
Seit Mitte März 2020 können die Mitglieder der Vereine wegen Corona überhaupt nicht oder nur unter besonderen Vorkehrungen in den Sporthallen trainieren. Liegt der bayerische Leistungssport momentan im Winterschlaf?

Georg Streif:
Nein, auf keinem Fall. Die BTU-Trainer und die Mitglieder sind trotzdem hoch motiviert. Der Leistungssport ist allerdings verändert und eingeschränkt. Es sind sehr viele Aktionen zu sehen, beispielswiese Online-Training oder Outdoor-Aktivitäten. Die Kaderathleten dürfen in den offiziellen Stützpunkten weiter trainieren. Ich sehe einen sehr großen Antrieb an Aktivitäten. Allerdings liegt der Schwerpunkt im Moment beim Aufbautraining der Grundlagen und endlich mal die Verletzungen auskurieren. Einige Wenige sind sogar in Zagreb bei der Club-Europameisterschaft an den Start gegangen und haben sogar Medaillen gewonnen. Leider können Turniere immer noch nicht wie gewohnt oder gar nicht durchgeführt werden.

BTU:
Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, hätte die Olympia-Qualifikation der World Taekwondo Europe im Januar 2021 in Sofia stattfinden sollen. Dieses Turnier wurde wegen der momentanen Pandemie auf Mai 2021 verschoben. Ist das für die nominierten Sportlerinnen und Sportler ein Nachteil?

Georg Streif:
Du bist aber gut informiert. Offiziell steht im Moment der Termin auf Ende Januar (Interview war vor dem Terminwechsel) und wir bereiten uns erst mal auf dieses Datum vor. Das heißt, im Landesstützpunkt in Nürnberg findet das Training auch zwischen den Feiertagen am Ende des Jahres statt. Ein „Plan B“ steht natürlich auch, und der beinhaltet einen späteren Start im Mai.

BTU:
Alexander Bachmann hat seine Nominierung direkt über das Ranking der World Taekwondo geschafft. Wie hält er sich denn unter den momentanen schwierigen Bedingungen fit für die Olympischen Spiele in Tokio?

Georg Streif:
Alexander Bachmann hat seine Schwerpunkte geändert, solange die Einschränkungen gelten. Er spricht wöchentlich die Inhalte seine Trainingsprogramms mit seinem Heimtrainer Vanja Babic und mit mir bis ins Detail ab. Dies betrifft im Rahmen des Erlaubten auch die Umfeldbedingungen, die PR-Termine und die Serviceangebote des Olympiastützpunkt.

Auf Grund der aktuellen Situation haben wir mehr Zeit, neue Infos aus Japan über zu erwartende Corona-Vorgaben in unsere Vorbereitungen einzubinden, die neuen Videoanalysen mit erweitertem Qualitätsrahmen über die TU-München auszuarbeiten, eine kleine Fangemeinde in Japan aufzubauen, das Trainingslager bei unseren Freunden in Toyohashi (Hinweis: ungefähr 90 Minuten von Tokio entfernt) im Detail zu planen, die Organisation der Anreise vorzubereiten und neue Reize einzusetzen. Alex ist da sehr professionell und nutzt die Zeit bestens.

BTU:
Wie schaut denn das Trainingspensum der Nominierten aus, damit alle im Mai 2021 perfekt vorbereitet zur Qualifikation anreisen?

Georg Streif:
Das Pensum von täglich zwei bis drei Einheiten der BTU-Teilnehmer wird nicht mehr gesteigert, aber die Intensität und der spezifische Trainingsanteil wird kontinuierlich erhöht und passend eingesetzt. Wenn es die Vorgaben zulassen, werden auch passende Sparrings-Partner eingeladen.  

BTU:
Ab 2021 müssen alle Berufssoldatinnen und -soldaten ihren Dienst beim Leistungszentrum in Nürnberg antreten. Eine Sportsoldatin wollte nicht nach Nürnberg umziehen und ist jetzt nicht mehr bei der Bundeswehr. Wird es in Zukunft öfter solche Fälle geben?

Georg Streif:
Ich denke, das wird sich wie geplant schnell einpendeln. Mit den Neubewerbern werden die Bedingungen klar im Athletengespräch erörtert. Dies wird dann auch protokolliert. Neubewerber können zwischen den Bundesstützpunkten Nürnberg und Düsseldorf wählen. Diese Maßnahmen sind für ein professionelles Umfeld und für die optimale Nutzung der begrenzten Stellen bei der Bundeswehr notwendig. Für BTU-Athleten ist das dann keine ganz so große Umstellung.

BTU:
In Zagreb wurde im November 2020 eine Offene Club Europameisterschaft durchgeführt. Der erste Wettkampftag musste abgebrochen werden, weil bei den Kadetten acht positive Corona Fälle bekannt geworden sind. Wie stehst Du denn dazu, solche Turniere durchzuführen? 

Georg Streif:
Das ist im Moment sehr kritisch zu sehen. Aufgrund unserer Fürsorgepflicht haben wir darauf verzichtet, in Zagreb mit einem BTU-Team an den Start zu gehen. In der Starterliste standen aber die Namen von einzelnen Kadermitgliedern aus bayerischen Vereinen, die sich sogar in den Medaillenrängen platzieren konnten. Aus Zagreb wurde ich täglich über die dortigen Abläufe informiert. Solche Maßnahmen verfolge ich sehr genau, um gut vorbereitet zu sein, wenn für unseren BTU-Kader die Teilnahme an den Turnieren wieder möglich sein sollte. Ich denke aber, dass uns die besonderen Corona-Vorgaben noch einige Zeit beschäftigen werden. Unser BTU-Leistungssport-Team beobachtet ständig die Lage und ist immer auf dem aktuellen Stand.

BTU:
Rabia Bachmann ist nicht mehr Sportsoldatin bei der Bundeswehr. Wird Rabia in Zukunft auch weiter an Wettkämpfen teilnehmen?

Georg Streif:
Nein, sie hat sich vom aktiven Wettkampfgeschehen zurückgezogen und wohnt nun in Stuttgart. Natürlich verfolgt Rabia die Szene weiterhin und hält den Kontakt zu uns, was mich freut. Auch Alex wird von Rabia voll und ganz unterstützt. Eine so erfolgreiche Athletin wird immer „am Ball“ bleiben. Sie zeigte unseren Mitgliedern was machbar ist. Sobald es möglich ist, werden wir sie in Bayern in gebührendem Rahmen verabschieden. Das war leider 2020 nicht möglich.

BTU:
Wann können denn die bayerischen Mitglieder wieder bei einem normalen Turnier auf die Kampffläche gehen?

Georg Streif:
Da frag mal lieber unsere Politiker, die hier mehr Hintergrundwissen haben. Diese Frage kann im Moment keiner genau beantworten. Aber ich hoffe, wenn der Impfstoff zum Einsatz kommt, im Frühling das Risiko sinkt und viele Corona schon hinter sich hatten, wird es Schritt für Schritt im begrenzten Rahmen losgehen. Abdullah stimmt sich dazu eng mit unserem Leistungssport-Team ab. Wer weiß, vielleicht können wir ab dem Frühjahr bereits die ersten Turniere durchführen.

BTU:
Bei den DTU-Wahlen im September 2020 wurde Jannis Dakos zum neuen Vizepräsidenten gewählt. In seiner Bewerbungsrede hat er angekündigt, dass er viele Änderungen in der Leistungssportstruktur und bei den Bundestrainern vornehmen würde. Was hat sich denn bis jetzt geändert?

Georg Streif:
Es wurden zahlreiche Meetings und Gespräche geführt, die Jannis Dakos dann noch mit dem Präsidium besprechen wird und zum passenden Zeitpunkt bekanntgeben wird. Das Leistungssport-Personal erarbeitet gerade Konzeptionen für zukünftige Nominierungen und Lehrgangsgestaltung. Jannis hat uns in Gesprächen motiviert und zahlreiche Ideen vorgestellt. Er hat auch schon einige Meetings, Athleten- und Trainergespräche in Bayern durchgeführt. Ich gehe davon aus, dass noch weitere geplant sind.  

BTU:
Yeon-Ji Kim wird Ende Dezember 2020 ihr Amt als Damen-Bundestrainerin zurücktreten. Deshalb stellt sich die Frage, wer die Nachfolge antritt. Wann wird denn dieses Amt neu ausgeschrieben?

Georg Streif:
Auch hierzu führte Jannis Dakos noch umfangreiche Gespräche, die er dann mit dem DTU-Präsidium abgestimmt hat. Das Ergebnis wird bestimmt bald bekannt gegeben. Bis zum Jahresende arbeite ich noch eng mit Bundestrainerin Yeon-Ji Kim zusammen und unterstütze auch da gerne.

BTU:
Was sind denn im Moment die Schwerpunkte?

Georg Streif:
Wir führen zahlreiche Videokonferenzen über momentane Planungen durch und stimmen uns mehrfach die Woche ab. Nachdem in Bayern keine Turniere durchgeführt werden können, bietet sich die Corona-Zeit an, die Strukturen zu durchleuchten. In meiner Position als Vize-Präsident Zweikampf leite ich dies ein und das Leistungssport-Team – und zwar das LS-Team, Özer, Nurettin und Marco - bearbeitet diese Anregungen.

Anfang Januar wird sich zuerst das LS-Team mit allen angestellten Trainern per Videokonferenz treffen und alle anstehenden Themen besprechen. Das Ergebnis aus dieser Besprechung wollen wir dann beim ersten Trainertreff 2021 zur Diskussion stellen und uns dann festlegen. Auf Grund der momentanen Situation rechne ich nicht damit, dass sich der Trainertreff schon im normalen Rahmen durchführen lässt.

Momentan sind wir auch gerade dabei, zusammen mit dem Klaus Haggenmüller und der TU-München neue Videoanalysen zu entwickeln, die sehr professionell durchgeführt werden. Auch dies wird dem BTU-Kader zugutekommen.

Alle Corona-Erkrankten aus dem Kader müssen zum Wiedereinstieg neben den üblichen Tests noch zusätzliche Test nach den Vorgaben des DOSB durchführen. Die Koordination hierfür liegt auch bei unserem LS-Team und konnte beim Olympiastützpunkt München bereits erfolgreich durchgeführt werden.

BTU:
Sind auch sonstige Änderungen im Leistungssportteam im Gespräch?  

Georg Streif:
Es gibt natürlich einige Punkte, die thematisiert werden und auf dem Prüfstand stehen. Im Landestrainerbereich bleiben wir beim bewährten Team. Bei den angestellten Assistenz- und Scout-Trainern wird die Struktur 2021 neu definiert und innerhalb der Möglichkeiten, die uns vom Bayerischen Landessportverband angeboten werden, eingeteilt. Eine enge Abstimmung mit dem neu gegründeten „Team-Sport-Bayern“, bei dem Gerd Kohlhofer ins Präsidium gewählt wurde und dem ich in Arbeitsgruppen zuarbeite, ist fest in Planung. Mehr dazu teilen wir beim Trainertreff 2021 mit. Wir freuen uns auf die Herausforderungen und unsere Mitglieder endlich mal wieder in Natura zu treffen. Das hat doch eine andere Qualität und ist menschlicher als über Video.

BTU:
Vielen Dank für das Gespräch.