Weltmeisterschaft in Baku:

1973 wurde in der legendären „Kukkiwon“-Sporthalle in Seoul/Korea die erste Weltmeisterschaft ausgetragen. Bei dieser WM gingen 39 Teilnehmer aus 14 Nationen in den männlichen Gewichtsklassen bis 64 kg und über 64 kg an den Start. Die beiden Weltmeistertitel gewann Korea, vier weitere Medaillen gewannen die USA und zwei Deutschland. 

Heute, also fünfzig Jahre später, hat Taekwondo eine unglaublich rasante Entwicklung zurückgelegt. In Baku gingen 949 Teilnehmer aus 144 Nationen plus einem Flüchtlingsteam an den Start, um in den jeweils weiblichen und männlichen acht Gewichtsklassen die Weltmeisterinnen und Weltmeister zu ermitteln. 

Entscheidungen des World Taekwondo Council
Einen Tag vor dem Beginn der Wettkämpfe entschied sich der World Taekwondo Council mit knapper Mehrheit, dass die nächste Weltmeisterschaft 2025 für die  Senioren in Wuxi/China ausgetragen werden soll.

Den Zuschlag für die Ausrichtung der Kadetten-Weltmeisterschaft 2025 erhielten die Vereinigten Arabischen Emiraten.   

Golden Jubilee Gala Dinner
Die bei seiner Gründung noch sehr naive und enorm korea-geprägte Sportart Taekwondo hat nach der Aufnahme als olympische Sportart und der technischen Entwicklung der elektronischen Kampfwesten und dem Videoreplay einen rasanten Siegeszug rund um die Welt angetreten. In Baku 2023 wurde das 50-jährige Jubiläum des World Taekwondo mit einem „Golden Jubilee Gala Dinner“ gebührend gefeiert. An dieser Feier nahmen neben DTU-Präsident Stefan Klawiter auch BTU-Präsident Gerd Kohlhofer teil.

Russische und weißrussische Teilnehmer
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine wurde den russischen und den weißrussischen Sportlerinnen und Sportler weltweit die Teilnahme an Turnieren untersagt. Nachdem diese Sperre im Mai 2023 vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) aufgehoben wurde, gingen in Baku vierzehn russische und neun weißrussische Teilnehmer an den Start. Zwei russische Teilnehmer wurden weiterhin ausgeschlossen, da von ihnen der Ukrainekrieg unterstützt worden sein soll.

Ukrainischer Boykott
Wegen der Teilnahme der russischen und weißrussischen Teilnehmer boykottierte die Ukraine die Weltmeisterschaft 2023 und zog die Teilnahme ihrer Sportler für Baku zurück. Die ukrainische Regierung erklärte, dass sie die Qualifikationswettkämpfe für die Olympischen Spiele 2024 in Paris ebenfalls boykottieren wollen. 

Unbegründete Befürchtungen
Nachdem durch die Entscheidung des IOC die Teilnahme von russischen und weißrussischen Sportlern wieder ermöglicht wurde, stellte sich während der Weltmeisterschaft in Baku die Frage, ob das für den 1. März 2024 in Berlin geplante europäische Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele 2024 in Paris in Deutschland durchgeführt werden kann. Befürchtet wurde, dass die deutsche Regierung einer Einreise und Teilnahme von russischen und weißrussischen Sportlerin bei einem in Deutschland ausgetragenen Turnier verweigern könnte.

Mittlerweile hat sich die Lage entspannt. Wie bekannt wurde, dürfen die gemeldeten Sportler aus Russland und Weißrussland in Berlin an den Start gehen, sofern von ihnen der Krieg in der Ukraine nicht unterstützt wurde.

Crystal Hall in Baku
Die Weltmeisterschaft wurden in der 25.000 Zuschauer fassenden Crystal Hall in Baku ausgetragen. Die riesige Sporthalle wurde für die Eurovision Song Contest 2012 unter der Leitung der Baufirma Alpine Bau Deutschland AG gebaut. Der Bauvertrag wurde im August 2011 unterschrieben, am 16. April 2012 – also gerade mal acht Monate später – wurde die Fertigstellung der riesigen Sporthalle bekannt gegeben.

Die Wettkämpfe selbst wurden sieben Tage lang auf fünf Kampfflächen ausgetragen. Die Weltmeisterschaft wurde vom Weltverband als G14-Turnier gewertet. Dies bedeutet, dass alle Gewinner der Goldmedaille für ihren Sieg insgesamt 140 Rankingpunkte gutgeschrieben bekommen und die jeweils nachfolgenden immer 60 Prozent vom Vorplatzierten, also 84 Punkte für den zweiten Platz, 50,4 Punkte für den dritten Platz und so weiter.

Abdullah Ünlübay als KPNP-Mitarbeiter
Die Wettkämpfe wurden mit den elektronischen Kampfwesten und Kopfschutz von KPNP ausgetragen. Ob die Olympischen Spiele 2024 in Paris ebenfalls mit dem KPNP-System ausgetragen werden, ist momentan noch nicht bekannt.

In Baku saß auch unser bayerischer Kampfrichterreferent Abdullah Ünlübay an den Kampfrichtertischen. Dieses Mal allerdings nicht als internationaler Kampfrichter, sondern als Mitarbeiter von KPNP. An allen sieben Wettkampftagen kümmerte sich Abdullah Ünlübay intensiv darum, dass das elektronische System reibungslos lief und Störungen so schnell wie nur möglich behoben wurden.

Laut neuem Regelwerk des Weltverbandes entscheidet bei einer unentschieden gewerteten Runde das höhere Hit-Level – also höhere Krafteinsatz bei den ausgeführten Techniken – über den Sieg. Für die Zuschauer war dies immer schwer nachvollziehbar. Vor der Weltmeisterschaft wurde das Scoreboard von KPNP so programmiert, dass die Wertung des in Führung liegenden Kämpfers immer in gelber Farbe dargestellt wird. Intern war zu hören, dass Abdullah Ünlübay bei dieser sinnvollen Änderung aktiv mitgewirkt hat.

Das deutsche Team
Kurz vor dem Abflugtermin musste Vanessa Körndl ihre Teilnahme an der Weltmeisterschaft krankheitsbedingt absagen – vor hier aus die besten Genesungswünsche. Deutschland ging deshalb in Baku mit einem 11-köpfigen Team an den Start, darunter sieben Kadermitglieder aus bayerischen Vereinen. Das Damenteam wurde von Bundestrainer Balazs Toth betreut und das Herrenteam von Marco Scheiterbauer. Unterstützt wurden beide von fünf Assistenztrainern. Als Head of Team kümmerte sich Sportdirektor Georg Streif um das Wohl des deutschen Teams. Sowohl die Athleten als auch die Trainer reisten zeitversetzt nach Baku und von dort wieder zurück in die Heimat.  

Über den Ausgang der einzelnen Kämpfe der deutschen Teilnehmer wurde bereits ausführlich von Helena Stanek, der Medienreferentin der DTU, berichtet. Hier nochmals eine kurze Zusammenfassung von den Kämpfen der sieben bayerischen Teilnehmer:

In der mit 73 Teilnehmern stark besetzten Gewichtsklasse bis 68 kg musste sich Imran Özkaya bereits im Auftaktkampf gegen den groß gewachsenen Ägypter Eyad BARAKAT mit 1:2 Runden geschlagen geben.

In der Damenklasse bis 49 kg musste Ela Aydin zum ersten Kampf gegen Ada AVDAGIC aus Bosnien-Herzegowina auf die Kampffläche. In den zwei Runden behielt Ela auf der Kampffläche immer das Heft in der Hand. In der ersten Runde wurde die Bosnierin nach einem Kopftreffer angezählt.

Im zweiten Kampf gegen Dunya Ali Abutaleb aus Saudi Arabien konnte Ela die erste Runde knapp für sich entscheiden. Die zweite Runde ging an Saudi Arabien. In der über lange Zeit sehr ausgeglichenen dritten Runde konnte die Saudi-Arabierin kurz vor dem Kampfende einen Kopftreffer anbringen - und gewann den Kampf.

In der Herrenklasse bis 63 kg musste Jordanis Konstantinidis in seinem Auftaktkampf gegen Sharif Gergely Salim aus Ungarn antreten. Beide Kämpfer konzentrierten sich darauf, Aktionen des Gegners zu verhindern. Am Ende konnte der Ungar aber doch einige Angriffe durchbringen und beide Runden für sich entscheiden.

Lorena Brandl, die in der Damenklasse über 73 kg gegen Nika Klepac aus Kroatien antreten musste, wirkte von Anfang an nicht so locker, wie man es von ihr eigentlich gewohnt ist. In dem trotz allem relativ ausgeglichenen Kampf konnte sich die Kroatin mit zwei gewonnenen Runden durchsetzen.

In der mit 54 Teilnehmern besetzten Klasse bis 54 kg hatte es Khaled Abdel Halim mit Maxwell Manson aus Sierra Leone zu tun. In den zwei Runden dominierte Khaled von Anfang an das Geschehen auf der Kampffläche. Er gewann beide Runden deutlich und beendete den Kampf vorzeitig.

Im zweiten Kampf musste Khaled Abdel Halim gegen Zhavokhirkhon Islamov aus Kasachstan antreten. Kurz vor dem Ende der ersten Runde lag Khaled mit Punkten zurück, holte sich aber mit einem Kopftreffer doch noch den Rundensieg. In der zweiten Runde kam Khaled mit den Bronzemedaillengewinner bei der Jugend-WM 2022 deutlich besser zurecht. Der Dachauer gewann beide Runden.

Im Achtelfinale hatte es Khaled mit dem einen halben Kopf größeren Omonjon Otajanov aus Usbekistan zu tun. In der erste Runde gelang dem Usbeke ein Kopftreffer. Die drei Punkte, die er dafür bekam, rettete er in die Pause. In der zweiten Runde dominierte der Usbeke. Mit seinem schnellen vorderen Fuß punktete ein ums andere Mal und störte Angriffe von Khaled bereits im Ansatz. Khaled verlor diese Runde mit 12 zu 2 Punkten.

In der mit 54 Teilnehmerinnen besetzten Damenklasse bis 62 kg musste Anna-Lena FRÖMMING im ersten Kampf gegen Faith Dillon (USA) antreten. Die erste Runde konnte Anna-Lena mit 5 zu 4 Punkten knapp für sich entscheiden. Die zweite Runde ging unentschieden zu Ende, wurde aber wegen dem höheren Hit-Level für die US-Fighterin gewertet. In der dritten Runde dreht Anna-Lena voll auf. Sie gewann mit 11 zu 0 Punkten – und war damit eine Runde weiter.

Gegen die sehr unbequem kämpfende Lillia Khuzina aus Russland, die unter   neutraler Flagge und mit dem Länder-Kürzel AIN (für "Individual Neutral Athlete") startete, musste Anna-Lena im Achtelfinale auf die Fläche. In der ersten Runde lag Anna-Lena nach Punkten leicht zurück. In gewohnter Manier versuchte alles, um den knappen Rückstand aufzuholen. Am Ende gewann die Russin die Runde mit knappen Vorsprung. In der zweiten Runde gelang es Anna nicht, die Weste oder den Kopfschutz mit entscheidender Härte zu treffen. Sie verlor auch die zweite Runde und somit den Kampf mit 0 zu 2 Runden gegen die spätere Weltmeisterin Lillia Khuzina.

Anya KISSKALT musste am letzten Wettkampftag in der mit 50 Teilnehmerinnen besetzten Damenklasse bis 53 kg gegen Chaima TOUMI aus Tunesien antreten. Anya, die normalerweise ihre Gegnerinnen wegen ihrer hohen Fußtechniken zur Verzweiflung bringt, kam gegen die fast einen Kopf größere Tunesierin nicht zurecht und verlor beide Runden.

Text und Fotos:
Peter Bolz