Historie

"Die Philosophie des TKD beruht auf der Überlieferung, schwächeren Menschen mit Hilfe einer Kraft, unter der Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Moral, Weisheit und Glauben zu verstehen ist, zur physischen und damit auch zur psychischen Überlegenheit zu verhelfen", schreibt TKD-Pionier Choi, Hong-Hi. diese Forderung nach Einheit von Körper und Geist stellten übrigens im europäischen Kulturkreis bereits die alten Griechen und Römer: "Ein gesunder Geist lebt in einem gesunden Körper."
- Bericht von Peter Knoll

Vom Anfänger zum Meister
- Bericht von Michael Kronthaler - Ich erinnere mich noch genau, wie ich Taekwondo angefangen habe, vor über 30 Jahren, ich war damals gerade zwölf Jahre alt. Damals dachte ich, gerade Weißgurt, einen blauen Gürtel, das schaffe ich nie. Einmal gar Schwarzgurtträger zu sein, daran wagte ich gar nicht zu denken. Taekwondo, das lerne ich nie.

Der Einstieg
Taekwondo ist ein faszinierender Sport. Nahezu jede Art der sportlichen Bewegung wird beim Taekwondo ausgeübt. Breitensport für Jung und Alt, Philosophie und Meditation oder moderner Wettkampfsport, der Einzug in den olympischen Zirkel gefunden hat.

Eines ist aber fast bei allen asiatischen Sportarten gleich. Man erkennt den Stand des Schülers anhand der Gürtelfarbe, wobei die einfache Grundregel gilt, je dunkler die Farbe des Gürtels, desto höher der Grad und somit der Leistungsstand.

Meistens fängt man Taekwondo an, weil man sich zu verteidigen lernen möchte und gleichzeitig fit sein will. Die erste Prüfung wird in der Regel mehr aus Jux, denn aus Absicht heraus gemacht. Die Gürtelrangfolge und die jeweiligen Schülergradbezeichnungen sehen so aus: Der Einstieg erfolgt mit dem 10. Kup (koreanische Bezeichnung für Schülergrad), sprich mit dem weißen Gürtel; nach zirka einem viertel bis einem halben Jahr erfolgt die erste Prüfung zum 9. Kup, sprich dem weiß-gelben Gürtel. Hier handelt es sich um einen weißen Gürtel, an dessen Enden gelbe Streifen angebracht sind.

Mit ungefähr diesem zeitlichen Abstand geht es dann von einer Gürtelprüfung zur nächsten: gelber Gürtel (8. Kup), gelb-grüner Gürtel (7. Kup), grüner Gürtel (6. Kup), grün-blauer Gürtel (5. Kup), blauer Gürtel (4. Kup), blau-roter Gürtel (3. Kup), roter Gürtel (2. Kup) und dann der letzte Schülergrad, rot-schwarzer Gürtel (1. Kup).

Nach den Schülergraden kommen die Meistergrade (schwarzer Gürtel). Hier beginnt die Zählweise mit eins, also 1. Dan, 2. Dan und so weiter. Die letzte mögliche Prüfung, die in Deutschland gemacht werden kann (ansonsten geht es zum "Mekka" des Taekwondo, nach Korea) ist der Großmeistergrad, der 7. Dan. Davon gibt es in Deutschland nur eine Handvoll.

Vom Leichten zum Schweren
Das Schöne bei Taekwondo-Prüfungen ist, dass einem der Einstieg wirklich leicht gemacht wird. Es wird nichts verlangt, was nicht im Training gemacht wird. Bei den Anfängergraden werden die Stellungen geprüft sowie einfache Fuß- und Handtechniken. Es geht immer vom Einfachen zum Komplexen, vom Leichten zum Schweren.

Zwei Schwerpunkte gibt es bei allen Prüfungen: Partnerübungen und Formenlauf (eine stilisierte Form des Kampfes).

Bei den Partnerübungen kommt es darauf an, zu zeigen, dass man die Techniken exakt beherrscht. Je höher der Grad, desto schwieriger die Partnerübungen. Letztendlich münden diese Partnerübungen einmal zu einem kontrollierten Freikampf und zum anderen in die Selbstverteidigung. Hier muss der Schüler dann zeigen, dass er Techniken auch auf unbekannte Sachverhalte anwenden kann. Auf dem Weg zum Freikampf gibt es feine Abstufungen, um den Perfektionsgrad der Techniken zu überprüfen. So spielen Beispielsweise Zielübungen auf eine Pratze (weiches Polster), die bewegt wird, eine wichtige Rolle. Schlagkraft, Zielgenauigkeit und Abstandsgefühl fließen hier in die Bewertung mit ein. Die andere Säule des Taekwondo ist die Form. Bei den Formen handelt es sich um eine Aneinanderreihung von Techniken. Auch hier gilt mehr oder weniger die Regel: je höher der Grad des Schülers, desto schwieriger die Abläufe der Form.

Stilisierter Freikampf
Ziel der Formen ist, einen stilisierten Kampf gegen einen und auch mehrere Gegner darzustellen. In einer Form finden sich viele Metaphern. Einen festen, großen und wuchtigen Gegner, der wie ein Sturm über dich herfällt, kann nicht mit brachialer Kraft, sondern nur mit Nachgiebigkeit besiegt werden. "Beuge dich wie eine Weide im Wind, laß' den Sturm über dich hinwegrauschen und richte dich danach wieder auf, um für die nächste Situation bereit zu sein." Dahinter versteckt sich eine Kinderweisheit: ein kleiner Schuljunge wird von dem Klassenrüpel angegriffen. Jener weicht nur minimal aus, lässt vielleicht sogar noch sein Bein stehen, so dass der Große darüber stolpert.

Dieses Prinzip, das Harte gegen das Weiche, zieht sich durch jede Form, durch das ganze TKD. Von der ersten TKD-Stunde an lernt der Schüler, dass man mit roher Kraft nichts ausrichten kann. Köpfchen und Disziplin sind verlangt, um den anderen zu besiegen. Damit eignet sich Taekwondo auch in idealer Weise als Selbstverteidigungssystem für Frauen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass bei einem Anfängerkurs rund die Hälfte Frauen sind. Auch bei den Gürtelprüfungen (auch in den höheren Rängen) ist dieser Trend feststellbar.

Während beim Kampf insbesondere die jüngeren Sportlerinnen und Sportler gefordert sind, kann die Form bis ins hohe Alter hinein ausgeführt werden. Bei der Forme ist es oft sogar so, dass die Ästhetik und die Feinheit der Bewegungen von den älteren Sportlern besser "rüber gebracht" wird, als von jungen, ungestümen Sportlern. Formen hat auch etwas mit Reife zu tun.
Bei einer Gürtelprüfung sind Geschlecht, Konstitution und insbesondere das Alter in besonderem Maße zu berücksichtigen. Dies führt oft zu Missverständnissen, besonders bei jungen und noch nicht höher graduierten Schülern. Denn mit der (scheinbar) gleichen Leistung kann ein jüngerer Sportler durch eine Gürtelprüfung fallen, während hingegen sein wesentlich älterer Kollege eine Belobigung für seine Können erhält.

Der Meister
Der Sprung vom Schüler zum Meister ist ein richtiger Einschnitt in einem "Taekwondo-Leben". Dieser Sprung ist weit und schwer. Zirka 50 Prozent benötigen einen zweiten Anlauf. Woher rührt nun diese Schwierigkeit (Vorbereitung vorausgesetzt)? Bei einer Kup-(Schüler-)Prüfung wird nicht Perfektion in jeder Situation erwartet. Man kann hier durchaus eine Schwäche mit eine Stärke ausgleichen.

Nicht so bei einer Dan-(Meister-oder Schwarzgurt)Prüfung. Hier muss der angehende Schwarzgurtträger in jedem Fach ein gewisses Mindestmaß an Können aufweisen. Ein Ausgleichen ist nicht möglich. Auch wenn der Prüfling in bestimmten Fächern (Selbstverteidigung, Partnerübungen, etc.) außergewöhnlich gut ist, darf er sich in anderen Fächern keinen "Schnitzer" erlauben.

Die schwierigste Meisterprüfung ist wohl die zum dritten Dan. Bis dahin hat man ungefähr zehn Jahre Taekwondo "auf dem Buckel". Die Prüfung zum dritten Dan ist die letzte echte Leistungsprüfung. Hier darf sich der Prüfling in keinem Fach eine Schwäche erlauben. Alle Techniken müssen exakt, präzise und kraftvoll sein und entsprechend der Situation im richtigen Zusammenhang angewendet werden. So muss sich der Prüfling beispielsweise in der Disziplin Selbstverteidigung frei gegen mehrere Gegner mit und ohne Waffen währen können, ohne dabei gegen den Selbstverteidigungsparagraphen zu verstoßen - falls man dagegen verstößt, fällt man durch die Prüfung. Träger/innen des dritten schwarzen Gürtels (3. Dan) können auf ihre Leistung stolz sein.
Nach dem dritten Dan kommen die Lehrer- und Großmeistergrade. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem Vermitteln des TKD. Träger solcher hohen Meistergrade sind durch die Bank Trainer oder Lehrer und können in der Regel auf mindestens 20 Jahre TKD zurückblicken.

Heute bin ich Großmeister, kann auf eine beachtliche sportliche Karriere zurückblicken, bin einer der ranghöchsten Prüfer von Bayern. Wenn ich nun zurückblicke, auf fast drei Dekaden Taekwondo, beschleicht mich immer noch das Gefühl, erst am Anfang des TKD zu stehen.
Text: Michael Kronthaler (überarbeitet von Reiner Hofer, 01-2014)